Bauherren und Investoren stornierten wegen der hohen Baukosten und gestiegener Bauzinsen immer mehr Projekte, erläuterte Pakleppa. Die Zahl der Baugenehmigungen ist mit Blick auf den Wohnungsmangel in vielen Städten ein wichtiger Indikator. Allerdings werden genehmigte Wohnungen oft zunächst nicht gebaut, weil Handwerker und Baufirmen keine Kapazitäten haben. Die Zahl der 2022 tatsächlich fertiggestellten Wohnungen liegt noch nicht vor.

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) rechnet für das vergangene Jahr mit etwa 275 000 Fertigstellungen. Im laufenden Jahr dürften es bestenfalls 250 000 sein. "Aufgrund der zu geringen Neubauförderung von 1,1 Milliarden Euro, verschärften Anforderungen an die Energieeffizienz und hohen Zinsen werden gerade Wohnungsbaugesellschaften nicht in der Lage sein, investieren zu können", sagte HDB-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller.

Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hatte eingeräumt, dass die Ampel-Koalition ihr Ziel von 400 000 neuen Wohnungen im Jahr verfehlen wird. Von einem kompletten Baustopp könne aber keine Rede sein, betonte die Ministerin am Freitag. "Im Jahr 2022 wurden mehr neue Wohnungen genehmigt als in 2021 fertiggestellt wurden." Aufgrund deutlich verschlechterter Rahmenbedingungen und Kapazitätsengpässen in der Branche sei die Bauzeit in den vergangenen Jahren gestiegen. Dem wolle die Bundesregierung unter anderem mit vereinfachten Planungs- und Genehmigungsverfahren begegnen.

Der Zentrale Immobilien-Ausschuss ging zuletzt allerdings davon aus, dass 2025 rund 700 000 Wohnungen in Deutschland fehlen werden. Das seien umgerechnet alle Wohnungen, die es derzeit in Bremen und dem Saarland gebe.

In neu zu errichtenden Wohngebäuden wurden im vergangenen Jahr 304 600 Wohnungen genehmigt. Das waren 7,3 Prozent weniger als im Vorjahr. Besonders stark war der Rückgang bei Einfamilienhäusern (minus 16,8 Prozent). Ein Grund war das Auslaufen des Baukindergeldes im März 2021. Die Zahl der genehmigten Neubauwohnungen in Zweifamilienhäusern sank den Angaben zufolge um 13,8 Prozent. In Mehrfamilienhäusern wurden mit 190 400 Wohnungen 1,6 Prozent weniger bewilligt als im Jahr zuvor. Nach vergleichsweise hohen Zahlen im ersten Halbjahr beschleunigte sich der Abwärtstrend den Angaben zufolge im weiteren Verlauf des Jahres. Etwa 63 Prozent der Neubauwohnungen in Deutschland entstehen in Mehrfamilienhäusern.

Die Bauindustrie war lange Zeit eine Stütze der deutschen Konjunktur und hat dank des Immobilienbooms gut verdient. Insbesondere der Wohnungsbau hatte die Branche beflügelt. Im vergangenen Jahr hielten sich allem private Bauherren wegen teurerer Finanzierungen und steigender Baupreise zurück. Auf Private entfielen 141 100 Baugenehmigungen für neue Wohnungen (minus 12,6 Prozent). Auch Unternehmen stellten weniger Bauanträge. Die Zahl der Bewilligungen sank hier um 3,3 Prozent auf 147 900 Vorhaben. Dagegen stieg die Zahl der Baugenehmigungen für Wohnungen auf Antrag der öffentlichen Hand um 17,8 Prozent auf 12 200.

Die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) warnte: "Der Wohnungsbau droht abgewürgt zu werden." IG-BAU-Chef Robert Feiger forderte, Bund und Länder müssten die Wohnungsbau-Förderung vervielfachen. Zudem müssten Gesetze und Verordnungen durchforstet werden, die das Bauen unnötig verteuerten. "Wenn der Staat den Wohnungsbau jetzt im Stich lässt, wird es enorm lange dauern, bis er wieder auf die Beine kommt", warnte Feiger./mar/DP/jha

(AWP)