In seiner neuen Prognose rechnet der IWF in diesem Jahr nur noch mit einem globalen Wachstum von 3,2 Prozent. Das sind 0,4 Prozentpunkte weniger als noch im April angenommen. Für die Eurozone erwartet der IWF ein um 0,2 Prozentpunkte geringeres Wachstum von 2,6 Prozent. In Deutschland soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) demnach nur noch um 1,2 Prozent wachsen - eine deutliche Herabstufung einer Prognose aus dem Mai. Damals hatte der IWF noch ein Wachstum von rund 2 Prozent für 2023 und 2022 prognostiziert. Diese neuesten Daten für Deutschland hatte der IWF bereits in der vergangenen Woche veröffentlicht.

"Die Inflation bleibt hartnäckig hoch", heisst es weiter in dem aktuellen Bericht. In diesem Jahr rechnet der IWF in den Industriestaaten mit einer Teuerungsrate von 6,6 Prozent, also 0,9 Prozentpunkte mehr als noch im April angenommen. In Schwellen- und Entwicklungsländern soll die Inflationsrate im Durchschnitt 9,5 Prozent betragen, ein Plus von 0,8 Prozentpunkten. Es werde allgemein erwartet, dass die Inflation bis Ende 2024 in die Nähe des Niveaus vor der Pandemie zurückkehren werde, hiess es in dem Bericht.

Mehrere Faktoren könnten jedoch dazu führen, dass sich die Dynamik nicht verändere und die Inflation hoch bleibe. Ein Faktor seien Schocks bei den Lebensmittel- und Energiepreisen infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Diese Entwicklung könnte einer Stagflation Vorschub leisten. Unter Stagflation versteht man eine nicht mehr wachsende Wirtschaft bei gleichzeitigem Preisauftrieb.

Mit Spannung wird in diesem Zusammenhang auch die neue Zins-Entscheidung der US-Notenbank Fed am Mittwoch erwartet. Fed-Chef Jerome Powell hatte bereits einen erneuten grossen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten in Aussicht gestellt. Die Rekordinflation hatte auch die Euro-Währungshüter zu einem höheren Tempo bei ihrer ersten Zinserhöhung seit elf Jahren gezwungen. Die EZB kündigte in der vergangenen Woche an, dass die Leitzinsen um 0,50 Prozentpunkte steigen.

Die jüngste Senkung der globalen Konjunkturprognose um 0,4 Prozentpunkte des IWF geht dem Bericht zufolge vor allem auf die unvorhersehbaren Folgen des Kriegs in der Ukraine zurück. So könne es zu einem "plötzlichen Stopp der europäischen Gasimporte aus Russland" kommen. Auch könnte es schwieriger als erwartet sein, die Inflation zu senken. Die strengere Geldpolitik als Reaktion auf die hohe Inflation könnte für Schwellen- und Entwicklungsländer eine Schuldenkrise zur Folge haben. Diese Staaten könnten aufgrund höherer Zinsen ihre Kredite schwerer zurückzahlen. Auch erneute Corona-Ausbrüche und damit verbundene Lieferkettenengpässe seien ein Risikofaktor für die Weltwirtschaft.

Die neue Prognose spiegele das nachlassende Wachstum in den drei grössten Volkswirtschaften der Welt - den Vereinigten Staaten, China und dem Euroraum - wider, was erhebliche Auswirkungen auf die globalen Aussichten habe, schrieb IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas.

Der IWF betont allerdings, dass die Prognosen ausserordentlich unsicher seien. Sie beruhten aktuell auf der Annahme, dass es zu keiner weiteren unerwarteten Verringerung der Erdgaslieferungen aus Russland an das übrige Europa komme. Auch gehe man davon aus, dass die Inflationsentwicklung einigermassen stabil bleibe. "Es besteht jedoch ein erhebliches Risiko, dass sich einige oder alle dieser Grundannahmen nicht bewahrheiten", mahnt der IWF.

Der IWF warnt ausserdem vor einer sich verschärfenden Nahrungsmittelkrise. Die weltweiten Lebensmittelpreise hätten sich zwar in den vergangenen Monaten stabilisiert, seien aber immer noch viel höher als im Jahr 2021. Der Krieg in der Ukraine sei der Hauptgrund für den weltweiten Preisanstieg - insbesondere bei Getreide wie Weizen. Ausserdem müssten die Impfquoten ansteigen, da die Pandemie anhalte und neue Varianten drohten. Schliesslich erfordere auch der Kampf gegen die Klimakrise weltweit abgestimmte Massnahmen./nau/DP/nas

(AWP)