Inflationsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie. In den alten Bundesländern muss man in der Zeitreihe bis in den Winter 1973/1974 während der Ölkrise zurückgehen, um ähnlich hohe Werte zu finden.

Seit Monaten sind Energie und Lebensmittel die grössten Preistreiber. Der russische Angriff auf die Ukraine sowie Lieferengpässe haben die bereits angespannte Lage verschärft.

Bereits im Mai war die Inflation in Deutschland auf 7,9 Prozent gesprungen. Danach schwächte sich der Preisauftrieb etwas ab. Im Juni lag die Inflationsrate bei 7,6 Prozent und im Juli bei 7,5 Prozent.

Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil sich diese für einen Euro dann weniger leisten können. Viele Haushalte schränken Umfragen zufolge ihren Konsum wegen der Preise bereits ein.

Etwas Entlastung verschaffte die Bundesregierung den Menschen mit ihrem auf drei Monate befristeten Tankrabatt sowie dem 9-Euro-Ticket für den öffentlichen Personennahverkehr. Nach dem Auslaufen dieser beiden Massnahmen Ende August dürfte die Inflationsrate nach Einschätzung von Ökonomen deutlich ansteigen.

Die Bundesbank hält es für möglich, dass die Teuerungsrate gemessen am sogenannten harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) im Herbst eine Grössenordnung von 10 Prozent erreichen wird.

"Für zusätzlichen Auftrieb sorgen in den nächsten Monaten die Anhebung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns und die Abwertung des Euro", prognostizierte die Bundesbank in ihrem jüngsten Monatsbericht. "Ausserdem soll im Oktober eine Umlage auf die Gastarife eingeführt und gleichzeitig der Mehrwertsteuersatz auf Gas gesenkt werden."

Im August lag der HVPI, den die Europäische Zentralbank für ihre Geldpolitik heranzieht, für Deutschland nach vorläufiger Berechnung bei 8,8 Prozent. Die EZB strebt für den gemeinsamen Währungsraum ein stabiles Preisniveau bei einer jährlichen Teuerungsrate von 2 Prozent an./ben/DP/jsl

(AWP)