"Das Hauptrisiko für Finanzstabilität und Wachstum besteht derzeit darin, dass die Inflation auf einem sehr hohen Niveau bleibt", sagte de Guindos in einer Videoschalte. "Unser Hauptbeitrag zur Finanzstabilität ist jetzt, Preisstabilität herzustellen." Die EZB sieht diese mittelfristig bei zwei Prozent Inflation im Euroraum gewährleistet. Davon ist die Teuerung seit Monaten weit entfernt: Im Euroraum lagen die Verbraucherpreise im Oktober um 10,7 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. In Europas grösster Volkswirtschaft Deutschland stieg die Inflationsrate im Oktober auf 10,4 Prozent.

"Die Geldpolitik muss auf Preisstabilität ausgerichtet sein", betonte de Guindos - auch wenn die rasante Zinswende für die Finanzbranche eine Herausforderung darstelle. Die EZB versucht nach langem Zögern seit Juli mit kräftigen Zinserhöhungen die extrem hohe Teuerung in den Griff zu bekommen. Der Leitzins im Euroraum, der jahrelang auf dem Rekordtief von null Prozent eingefroren war, liegt inzwischen bei 2,0 Prozent.

Der anhaltende Krieg in der Ukraine sei nach wie vor ein erhebliches Risiko für Inflation und Wachstum, stellte die EZB fest. Angesprochen auf den Raketeneinschlag in Polen am Dienstag, bei dem zwei Menschen starben, sagte de Guindos: "Es ist klar, dass diese Art von Vorfällen die geopolitischen Risiken erhöhen."

Da es für Unternehmen und Haushalte in dem sich verschlechternden Umfeld schwieriger werde, ihre Schulden zurückzuzahlen, könnten Banken mittelfristig mit höheren Kreditausfällen konfrontiert sein, warnt die EZB. Sollten sich die Aussichten weiter verschlechtern, könne eine Zunahme an Unternehmensinsolvenzen nicht ausgeschlossen werden, insbesondere bei energieintensiven Firmen.

"Zwar hat sich die Rentabilität des Bankensektors in jüngster Zeit erholt, da die Zinssätze gestiegen sind. Doch gibt es erste Anzeichen für eine Verschlechterung der Qualität der Aktiva, die grössere Rückstellungen erforderlich machen könnten", schreibt die EZB. De Guindos bekräftigte: "Wir sollten uns nicht von der kurzfristigen Verbesserung der Rentabilität der europäischen Banken blenden lassen." Insgesamt jedoch hält die Notenbank, die die grössten Banken im Euroraum direkt beaufsichtigt, das Bankensystem im Währungsraum der 19 Länder für "gut aufgestellt, um vielen Risiken standzuhalten"./ben/DP/jha

(AWP)