Bern (awp/sda) - Ab dem kommenden Jahr dürften viele Banken Negativzinsen teilweise an ihre Kunden weitergeben. Das erwartet zumindest der Chef der Migros-Bank, Harald Nedwed. Auch seine Bank werde 2017 ernsthaft über Negativzinsen nachdenken müssen. Kleinsparer haben allerdings nichts zu befürchten.

Wie alle Schweizer Inlandbanken, die schwergewichtig im Zinsdifferenzgeschäft tätig seien, sei die Lage wegen der Negativzinsen für die Migros Bank sehr schwierig, sagt Nedwed im Interview mit der "NZZ am Sonntag".

Das Problem der Banken beschreibt er folgendermassen: Wegen der Negativzinsen sei heute ein Sparkonto selbst bei einem Zinssatz von 0% zu hoch verzinst. Diese überhöhten Sparzinsen würden durch eine Quersubventionierung zulasten der Hypothekarschuldner finanziert. Weil Pensionskassen und Versicherer dieses Problem nicht hätten, könnten sie Hypotheken günstiger anbieten. Sprich: Die Banken büssen an Wettbewerbsfähigkeit ein.

ZINSANSTIEG NUR VORÜBERGEHEND

Die Lösung für dieses Problem sieht der Migros-Bank-Chef darin, die Negativzinsen teilweise an die Kunden weiterzugeben. Zwar seien die Zinsen jetzt ein bisschen gestiegen, "aber das ist vermutlich nur ein vorübergehender Trump-Effekt."

2017 werde die Migros-Bank ernsthaft über Negativzinsen nachdenken müssen. Kleinsparer haben allerdings keine Negativzinsen auf ihren Guthaben zu befürchten. Laut Nedwed wären Kunden mit einem Kontostand ab einer Million betroffen.

Den Negativzinsen eine Absage erteilt hatte am Samstag hingegen Raiffeisen-Chef Patrik Gisel in einem Interview mit der "Neuen Zürcher Zeitung".

POSTFINANCE ERHEBT BEREITS STRAFZINS

Als erste grosse Schweizer Bank hatte im November Postfinance offiziell eine Limite eingeführt, ab der sie Strafzinsen einkassiert. Ab Beträgen von einer Million Franken müssen Postfinance-Kunden eine Gebühr von einem Prozent bezahlen. Anders als andere Institute kann Postfinance Verluste bei Kundeneinlagen nicht im Kredit- und Hypothekargeschäft ausgleichen, da für sie ein Kreditvergabeverbot gilt.

Bereits vor November verlangte die Post-Tochter von Grösstkunden und institutionellen Anlegern auf Beträgen über einem individuellen Schwellenwert eine Guthabengebühr von 1 Prozent. Andere Banken handhaben dies ähnlich.

NEDWES LEHNT VOLLGELD-INITITATIVE AB

In dem Interview mit der "NZZ am Sonntag" äussert sich der Migros-Bank-Chef auch zum Thema Vollgeld-Initiative. In seinen Augen ist der Vorschlag unnötig und es sei fraglich, ob er funktioniere.

Auf den Einwand, dass nach der Finanzkrise der Wunsch, Banken sicherer zu machen, verständlich sei, verweist der Manager auf Liquiditäts- und Mindestreservevorschriften sowie Eigenkapitalregeln, die es gebe. Vor allem die Eigenkapitalregeln seien in der Schweiz noch viel schärfer formuliert als im Ausland.

"Wenn man der Meinung sein sollte, der Bankensektor müsse weiter schrumpfen, müsste man nur an diesen Stellrädern weiter schrauben", erklärt er. Ausserdem müssten systemrelevante Banken im Rahmen des so genannten "Too big to fail"-Regelwerkes Pläne zu ihrer eigenen Abwicklung vorlegen, sowie weitere qualitative Vorschriften erfüllen. "Angesichts all dieser griffigen Regulatorien kann die Bankbranche nicht beliebig wachsen, wie es die Initiative unterstellt." Man habe die Risiken im Griff, zeigt sich Nedwed überzeugt.

Für seine Bank selbst bedeutete eine Auslagerung der Sichteinlagen eine Lücke in den Bilanz. Diese müsste dann etwa durch die Aufnahme von Anleihen auf dem Kapitalmarkt geschlossen werden. Gleichzeitig stelle sich auch die Frage nach den Kosten für die treuhänderische Verwaltung der Sichteinlagen. "Umsonst wäre das nicht. Dem Kunden würden Gebühren belastet."

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(AWP)