Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äusserte sich trotzdem optimistisch: "Es war immer klar, dass wir eine einvernehmliche Lösung anstreben. Und ich höre gute Meldungen, dass wir kurz davor sind." Anfang der Woche hatte insbesondere Deutschland eine Einigung wegen Bedenken bei der Versorgungssicherheit aufgehalten. Bereits am Donnerstag beschlossen wurde, Bosnien-Herzegowina in den Kreis der Beitrittskandidaten aufzunehmen. Das Balkanland wartet seit vielen Jahren auf die Mitgliedschaft in der EU.

Jetzt soll er wirklich kommen: Der Deckel gegen hohe Gaspreise

Monatelang hat Deutschland sich im Kreis der EU gegen einen Gaspreisdeckel gewehrt. Nun bahnt sich ein Kompromiss an. Von Gipfelteilnehmern hiess es, dass die Bedenken skeptischer Staaten bei dem geplanten Modell berücksichtigt würden.

Die EU ringt bislang darum, wie der stark schwankende Gaspreis kontrolliert werden kann. Unter dem Druck vieler Staaten schlug die EU-Kommission schliesslich vor, den Preis für Gas, das am Grosshandelsplatz TTF verkauft wird, unter bestimmten Umständen bei 275 Euro pro Megawattstunde zu deckeln. Im Gespräch ist nun eine niedrigere Grenze von 180 bis 220 Euro.

Bosnien-Herzegowina folgt Ukraine als Beitrittskandidat

Schon 2003 wurde Bosnien-Herzegowina ein EU-Beitritt in Aussicht gestellt, 2016 reichte das Land dann offiziell einen Aufnahmeantrag ein. Dann entschied die EU 2019 jedoch, dass das Balkanland erst den Kandidatenstatus bekommen soll, wenn 14 Reformauflagen erfüllt sind. Erfüllt hat Sarajevo diese Bedingungen bislang nicht. Deshalb sollen sie für die Aufnahme der eigentlichen Beitrittsverhandlungen weiter entscheidend sein.

Grund dafür, dass die Entscheidung nun zugunsten Bosnien-Herzegowinas ausfiel, ist auch die Sorge, dass sich das Balkanland mit 3,3 Millionen Einwohner ansonsten Richtung Russland oder China orientiert. Bereits im Juni hatten die EU-Staaten die Ukraine und Moldau offiziell zu Kandidaten ernannt. Beitrittsverhandlungen sollen aber auch mit ihnen erst dann beginnen, wenn bestimmte Reformen erfüllt sind. Vor allem Staaten wie Österreich hatten darauf gedrungen, ebenfalls diesen Weg zu gehen. Von den sechs Staaten des Westbalkan ist nun nur noch das Kosovo kein Beitrittskandidat.

Hilferuf aus Kiew: Selenskyj bittet EU um Panzer und Energie

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rief Kanzler Scholz und dessen Kollegen eindringlich zur Lieferung moderner anzer und Flugabwehr für den Abwehrkampf gegen Russland auf. In einer Videoansprache bat er zudem um Gas- und Stromlieferungen in grossem Umfang, um die Zerstörung der Infrastruktur durch russische Angriffe zu kompensieren.

"Ich bitte Sie darum, Führung zu zeigen", sagte Selenskyj. "Derjenige, der als erster moderne Panzer liefert, eröffnet die Möglichkeit für Lieferungen aus der ganzen Welt und wird als einer der grössten Verteidiger der Freiheit unserer Zeit im Gedächtnis bleiben." Es gebe keinen rationalen Grund, warum die Ukraine die Panzer nicht zum jetzigen Zeitpunkt bekommen sollte. Dasselbe gelte für weitreichende Artillerie- und Raketensysteme, die das Ende der russischen Aggression schneller herbeiführen könnten. "All das würde eine direkte Rettung von Millionen Menschenleben bedeuten."

Die Ukraine bittet ihre Verbündeten seit langem um Kampf- und Schützenpanzer westlicher Bauart. Scholz will solche Panzer nicht liefern, solange sie auch von anderen Bündnispartner nicht bereitgestellt werden. Die US-Regierung hätte allerdings kein Problem damit, wenn Deutschland bei dem Thema voranmarschieren würde.

Streit um Ungarn-Paket abgeräumt

Nach Angaben von Diplomaten signalisierte die polnische Regierung am Rande des Gipfels, das Beschlussverfahren für vier bereits am Montag vereinbarte Entscheidungen nicht weiter aufzuhalten. Dazu gehört, Ungarn wegen unzureichender Korruptionsbekämpfung bis auf Weiteres 6,3 Milliarden Euro aus dem EU-Gemeinschaftshaushalt vorzuenthalten. Zudem geht es um eine wichtige Richtlinie für die internationale Mindeststeuer für grosse Unternehmen, umfangreiche EU-Hilfen für die Ukraine sowie den ungarischen Plan zur Verwendung von Corona-Hilfen.

Von der Leyen soll Reaktion auf US-Subventionsprogramm vorbereiten

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wurde damit beauftragt, angesichts milliardenschwerer Subventionspläne für US-Unternehmen Vorschläge zum Schutz des Wirtschaftsstandortes Europa zu erarbeiten. Die Vorschläge sollen bereits im Januar präsentiert werden und sowohl nationale als auch europäische Instrumente umfassen.

Bei dem Programm der USA, das offiziell Gesetz zur Verringerung der Inflation (IRA) genannt wird, handelt es sich um einen Plan für Investitionen von rund 369 Milliarden Dollar, mit dem vor allem klimafreundliche Technologien gefördert werden sollen. Subventionen und Steuergutschriften sind daran geknüpft, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder in den USA produzieren. In der EU wird es deswegen als diskriminierend angesehen und unvereinbar mit Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) gehalten./mfi/ast/aha/wim/DP/men

(AWP)