Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums erklärte am Freitagabend, die Meldungen von Gazprom habe man zur Kenntnis genommen. "Wir kommentieren diese in der Sache nicht, aber die Unzuverlässigkeit Russlands haben wir in den vergangenen Wochen bereits gesehen und entsprechend haben wir unsere Massnahmen zur Stärkung der Unabhängigkeit von russischen Energieimporten unbeirrt und konsequent fortgesetzt. Dadurch sind wir jetzt wesentlich besser gerüstet als noch vor einigen Monaten."

Die Lage auf dem Gasmarkt sei angespannt, die Versorgungssicherheit aber gewährleistet, sagte die Sprecherin. Die Gasspeicher seien ausserdem zu 84,3 Prozent gefüllt. "Das Oktober-Speicherziel von 85 Prozent dürfte daher schon in den ersten Septembertagen erreicht sein." Auch bei der Versorgung über andere Lieferwege als russische Pipelines und neue Anlandekapazitäten für Flüssiggas komme man gut voran.

Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, betonte die Bedeutung der deutschen Vorsorgemassnahmen. "Angesichts der russischen Entscheidung, vorerst kein Gas über Nord Stream 1 fliessen zu lassen, gewinnen die LNG Terminals, die relevanten Speicherstände und signifikante Einsparnotwendigkeiten an Bedeutung", twitterte Müller am Freitagabend. "Gut, dass Deutschland inzwischen besser vorbereitet ist, jetzt kommt es aber auf jede/n an", schrieb Müller weiter.

Das weitaus meiste Erdgas erhält Deutschland inzwischen aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien. Am Donnerstag flossen nach Angaben der Bundesnetzagentur rund 2900 Gigawattstunden Erdgas aus diesen Ländern nach Deutschland. Zum Vergleich: Am Montag, dem letzten Tag vor der angekündigten Lieferreduktion, transportierte Nord Stream 1 rund 348 Gigawattstunden russisches Erdgas. Die eingespeicherte Menge betrug zuletzt immer ein Mehrfaches dieser Liefermenge aus Russland. Am Donnerstag wurden 965 Gigawattstunden Erdgas in Deutschland eingespeichert.

Gazprom zufolge ist das Leck in der Kompressorstation bei den gemeinsam mit Experten von Siemens Energy erledigten Wartungsarbeiten festgestellt worden. Das ausgetretene Öl sei an mehreren Stellen gefunden worden. Es sei nicht möglich, den sicheren Betrieb der letzten dort noch verbliebenen Gasturbine zu garantieren. Schon in der Vergangenheit sei es zu solchen Ölaustritten gekommen, hiess es.

Ein Brief über die Beanstandungen am Aggregat Trent 60 mit der Nummer 24 und über die notwendigen Reparaturen sei an den Chef von Siemens Energy, Christian Bruch, gegangen, teilte Gazprom weiter mit. Siemens Energy bestätigte die Gazprom-Mitteilung am Freitagabend auf Anfrage zunächst nicht.

Die EU-Kommission reagierte derweil empört auf die Gazprom-Mitteilung: "Die Ankündigung von Gazprom von heute Nachmittag, Nord Stream 1 erneut unter falschen Vorwänden stillzulegen, ist ein weiterer Beleg seiner Unzuverlässigkeit als Lieferant", schrieb ein Sprecher der EU-Kommission am Freitagabend auf Twitter. Es sei auch ein Beweis für den Zynismus Russlands, da es vorziehe, Gas zu verbrennen, statt Verträge zu erfüllen.

Zuvor waren erste Gaslieferungen für Samstagmorgen angekündigt worden. Das ging aus vorläufigen Daten der Webseite der Nord Stream AG hervor. Der Umfang der angekündigten Lieferungen entsprach dabei zunächst dem Niveau vor der Unterbrechung, also etwa 20 Prozent der maximal möglichen Menge und damit täglich 33 Millionen Kubikmeter Erdgas. Am späten Freitagnachmittag zeigten die vorläufigen Daten dann aber nur noch eine kaum nennenswerte Menge an. Seit Mittwochmorgen floss kein Gas durch die zuletzt wichtigste Leitung für russisches Gas nach Deutschland. Grund waren laut Gazprom Wartungsarbeiten.

Der russische Energieriese Gazprom sei nicht schuld daran, dass die Zuverlässigkeit der Leitung durch die Ostsee gefährdet sei, hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge am Mittag gesagt. Es gebe keine technischen Reserven. "Es läuft nur eine Turbine", sagte er auf die Frage eines Journalisten nach möglichen weiteren Unterbrechungen./mau/DP/nas

(AWP)