Am frühen Nachmittag verloren die Aktien fast 14 Prozent an Wert. Erstmals seit Mai 2021 wurden wieder weniger als 25 Euro für die Titel gezahlt. "Eine weitere Restrukturierungsrunde zu recht hohen Kosten ist etwas enttäuschend", schrieb vor diesem Hintergrund der Gregor Kuglitsch, Analyst bei der Schweizer Bank UBS. Das dritte Quartal von Bilfinger wurde derweil am Markt generell als zufriedenstellend bis erfreulich gewertet.

Die Zahl der Jobs, die in der Verwaltung reduziert werden soll, wollte der Bilfinger-Chef nicht nennen. "Über die genaue Ausgestaltung des Effizienzprogramms werden wir unverzüglich Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern aufnehmen", sagte Schulz. Es beziehe sich auf die gesamte Bilfinger-Gruppe.

Wie alle anderen Unternehmen stehe auch der Industriedienstleister vor der Herausforderung, qualifiziertes Personal zu rekrutieren, erläuterte der Manager weiter. Bilfinger müsse seinen Beschäftigten Perspektiven bieten und für den Arbeitsmarkt attraktiv sein. Von den geplanten rund 55 Millionen Euro an Einsparungen soll deshalb etwa ein Viertel jährlich in die Aus- und Fortbildung reinvestiert werden.

Im Gegenzug fallen für das Effizienzprogramm einmalig Kosten in Höhe von rund 60 Millionen Euro an, für die das Unternehmen im vierten Quartal eine Rückstellung bildet. Dies werde das Ergebnis im Gesamtjahr 2022 belasten, weshalb mit einem deutlichen Rückgang im Vergleich zum Vorjahr zu rechnen sei, teilte das Unternehmen weiter mit.

Im Vorjahr hatte Bilfinger vom Verkauf von Immobilien und Steuererstattungen profitiert. Operativ würden die Jahresziele bestätigt, da sich das Unternehmen im dritten Quartal stabil entwickelt habe. Der Konzern peilt beim operativen Ergebnis (Ebita) ohne die einmaligen Kosten für das Sparprogramm einen grossen Anstieg zum Vorjahreswert von 121 Millionen Euro an. Auch rechnet Bilfinger für das laufende Jahr weiterhin mit einem deutlichen Umsatzplus.

Ergebnisse zum Sparprogramm will Bilfinger-Chef Schulz während des Kapitalmarkttages am 14. Februar 2023 vorstellen. Zukünftiges Potenzial sieht der Manager in allen Segmenten. "Die Nachfrage für die Bilfinger-Gruppe ist weiterhin positiv", sagte er zur Wochenmitte in einer Telefonkonferenz.

Zu den Treibern für den grössten Bereich des Unternehmens, Chemie und Petrochemie gehörten Trends bei den Kunden wie Nachhaltigkeit, Energiekosten, Rohstoffverfügbarkeit sowie Kapazitätserweiterung und Modernisierung in Nordamerika und im Nahen Osten. Die Nachfrage nach integrierten Industriedienstleistungen und Investitionen in Rohstoff- und Energietransformation sei sehr gut. Bilfinger halte etwa Anlagen instand und helfe, sie stillzulegen.

Gute Chance rechnet sich Schulz für Bilfinger im Geschäft mit der Energie aus. Auf der einen Seite werde in die "grüne Energie" und Elektrifizierung von Industrieanlagen investiert, erläuterte er. Auf der anderen Seite habe die Kernkraft ein sogenanntes Revival. Bilfinger ist unter anderem bei der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung tätig.

Aber auch der Trend für Öl und Gas geht nach Einschätzung von Schulz nach oben. "Wir sehen mittelfristig bis langfristig hohe Gewinne der Unternehmen", sagte er. Grosse Öl- und Gaskonzerne beschäftigten sich intensiv mit Wasserstoff und Kohlenstoffabscheidung. Zudem investierten die Unternehmen in erneuerbare Energien. Aber auch Flüssiggas sei wieder zurück.

Der Umsatz von Bilfinger kletterte im dritten Quartal im Jahresvergleich um 14 Prozent auf fast 1,1 Milliarden Euro. Das operative Ergebnis (Ebita) ging jedoch um 32 Prozent auf 37 Millionen Euro zurück. Das Unternehmen hatte im Vorjahreszeitraum noch von Sondereffekten profitiert. Ohne diese würde das Ergebnis über dem Vorjahr liegen. Unter dem Strich blieb ein Gewinn von 22 Millionen Euro hängen, nach 41 Millionen Euro im Vorjahr.

"Unser operatives Geschäft wird weiterhin von einer guten Nachfrage getragen", sagte Schulz laut Pressemitteilung. Effizienzsteigerung und Nachhaltigkeit von Industrieanlagen würden auch zukünftig die prägenden Aufgaben der Industrie sein.

Der Auftragseingang stieg im dritten Quartal um 22 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro. Dabei entfielen 60 Prozent auf Rahmen- und Serviceverträge und 40 Prozent auf Projekte, sagte Schulz in der Telefonkonferenz. Der Auftragsbestand betrug Ende September 3,2 Milliarden Euro, das ist ein Plus von 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahresstichtag./mne/men/tav/mis

(AWP)