An der Börse kamen die Nachrichten für Boeing gut an. Der Aktienkurs des US-Konzerns legte in New York zuletzt um rund drei Prozent auf 152,22 Dollar zu. Seit dem Jahreswechsel hat das Papier damit noch rund ein Viertel seines Werts eingebüsst. Für die Airbus-Aktie ging es am Montag um ein halbes Prozent aufwärts. Damit wurde sie nur noch knapp sieben Prozent billiger gehandelt als zum Jahreswechsel.
Boeing hatte mit Delta lange über die Grossbestellung verhandelt. Laut Preisliste kommen die 100 Maschinen auf einen Gesamtwert von rund 13,5 Milliarden US-Dollar (13,4 Mrd Euro). Allerdings sind bei grossen Flugzeugbestellungen hohe Rabatte üblich. Daneben sicherte sich Delta Kaufoptionen für weitere 30 Jets.
Bei der 737 Max 10 handelt es sich um die Langversion der Boeing 737 Max, die in den Jahren 2019 und 2020 nach zwei Abstürzen weltweit 20 Monate lang nicht abheben durfte. Die "Max 10" wartet noch auf ihre Zulassung durch die US-Behörde FAA. Der Chef von Boeings Verkehrsflugzeugsparte, Stan Deal, zeigte sich im Interview mit dem Sender Bloomberg TV zuversichtlich, die Zertifizierung bis Jahresende hinzubekommen. Alternativ bräuchte der Hersteller eine Ausnahmegenehmigung vom US-Kongress. Ohne eine Einigung droht dem Hersteller aufgrund einer Gesetzesänderung von 2020 die teure Einführung eines ganz neuen Cockpit-Warnsystems - oder die Einstellung des Flugzeugtyps in der Langversion.
Mit der "Max 10" tritt Boeing gegen Airbus' Verkaufsschlager A321neo an - die Langversion der A320neo. Dieser macht bei den Europäern schon seit Längerem den Grossteil der Neubestellungen im Segment der Schmalrumpf-Flugzeuge aus. Von der Maschine hat Airbus auch eine Langstreckenversion mit dem Namen A321XLR entwickelt. Sie soll Anfang 2024 in den Liniendienst gehen. Boeing fehlt ein entsprechendes Konkurrenzmodell.
Airbus hat die Produktion seiner Modellfamilie A320neo inzwischen wieder auf monatlich etwa 50 Maschinen hochgefahren und peilt für Mitte des Jahrzehnts eine Rekordproduktion von 75 Maschinen pro Monat an. Boeing hatte bei der 737 Max zuletzt erst eine Monatsrate von 31 Stück erreicht. Unterdessen haben die Flugzeugbauer wie Unternehmen anderer Branchen mit Engpässen in ihren Lieferketten zu kämpfen.
Grosse Langstreckenjets waren zuletzt vor allem im boomenden Frachtsegment gefragt, das bisher eine Domäne von Boeing ist. Dagegen hatten beide Hersteller die Produktion grosser Passagiermaschinen in der Pandemie stark gedrosselt. Während Airbus seine Typen A350 und A330neo weiterhin durchgehend ausliefert, klappt das bei Boeing nur beim älteren Modell 777.
Dessen Neuauflage 777X musste der Hersteller um mehrere Jahre verschieben. Und die etwas kleinere Boeing 787 "Dreamliner" kann er wegen Produktionsproblemen schon seit rund einem Jahr nicht an seine Kunden übergeben. Die Gespräche mit der Aufsicht zur Wiederaufnahme der Auslieferungen seien sehr weit fortgeschritten, sagte Boeing-Manager Deal am Sonntag, nannte aber keinen Zeitplan.
Derweil hält Boeing-Chef Dave Calhoun die Zeit für die Entwicklung eines neuen Passagierjets noch nicht für gekommen. Die Einführung eines neuen Verkehrsflugzeuges hänge vom technischen Stand der Antriebstechnik ab und davon, ob diese einen grossen Unterschied zu den bisherigen Triebwerken mache, sagte der Manager der "Financial Times" (Montag). "Ich glaube nicht, dass wir diese Schwelle erreicht haben." Calhoun verwies darauf, dass Boeing nach Bewältigung seiner derzeitigen Probleme auch finanziell wieder besser dastehen werde. Derzeit ächzt der Konzern unter einer Netto-Schuldenlast von rund 45 Milliarden US-Dollar (44,6 Mrd Euro).
Unterdessen dürfte die Boeing-Kundin Delta Air Lines demnächst auch bei Airbus einkaufen, wenn auch in geringerem Umfang. Nach Informationen von Bloomberg wird dort eine Order über zwölf Exemplare des kleinsten Airbus-Jets A220 diskutiert. Zudem verhandle Airbus mit Malaysia Airlines über den Kauf von rund 30 Grossraumjets vom Typ A330neo. Und die polnische Fluggesellschaft Lot könnte 60 Exemplare der A220 bestellen. Auch ein Auftrag aus Deutschland ist offenbar im Gespräch. So verhandle der Ferienflieger Condor über den Kauf von 40 Airbus-Jets aus der Modellfamilie A320neo, berichtete Bloomberg und berief sich dabei auf mit der Sache vertraute Personen. Airbus und Condor wollten die Informationen nicht kommentieren.
Vor allem für Boeing sind neue Bestellungen wichtig. Der US-Konzern ist im Massengeschäft mit Mittelstreckenjets deutlich hinter Airbus zurückgefallen. In ihren Marktprognosen für die kommenden 20 Jahre gehen beide Konzerne davon aus, dass rund drei Viertel aller Flugzeugauslieferungen auf diese Schmalrumpf-Flugzeuge mit einem Mittelgang zwischen den Sitzen entfallen./stw/ngu/he
(AWP)