Das Papier verlor 3,7 Prozent auf 65,70 Euro. Seit Jahresanfang hatte der Kurs bisher um mehr als ein Fünftel zugelegt und sich von knapp 56 Euro auf fast 69 Euro aufgeschwungen. Vor dem Ausbruch des russischen Kriegs gegen die Ukraine im Februar vergangenen Jahres notierte die Aktie allerdings noch um die 90 Euro.
Nach harschen Produktionsunterbrechungen bei Kunden in der Autoindustrie infolge fehlender Teile 2021 fasste Conti im vergangenen Jahr wieder besser Fuss. Der Umsatz legte laut vorläufigen Zahlen vom Dienstagabend um rund 17 Prozent auf 39,4 Milliarden Euro zu. Allerdings machten die Mehrkosten wegen gestiegener Energie-, Logistik- und Beschaffungspreise dem Konzern wie angekündigt zu schaffen: Vor Zinsen und Steuern sowie um Sondereffekte bereinigt sank die Gewinnmarge um 0,6 Prozentpunkte auf voraussichtlich 5 Prozent.
Mit den Werten erreichte Conti seine Erlös- und Gewinnziele - verfehlte aber beim für Investoren wichtigen Barmittelzufluss (Free Cashflow) die Planungen deutlich, weil vor dem Stichtag spürbar weniger Zahlungen der Kunden auf den Konzernkonten landeten als erwartet.
Letztlich erwirtschaftete der Konzern rund 200 Millionen Euro an Finanzzuflüssen, wenn Ein- und Auszahlungen für den Kauf und Verkauf von Unternehmensteilen ausgeklammert werden. Zuletzt angepeilt hatte das Management zwischen 600 und 800 Millionen Euro. Dass Conti im vierten Quartal noch gehörig Boden gutgemacht hat, reichte nicht mehr.
Der Barmittelzufluss ist ein Indikator für die Finanzkraft eines Unternehmens und wird von Investoren oft als Gradmesser für die Auszahlung einer Dividende herangezogen. Grundsätzlich will das Unternehmen zwischen 15 und 30 Prozent des Nettogewinns ausschütten. Hierzu machte Conti mit den vorläufigen Zahlen noch keine Angaben, die Dividende wird das Unternehmen am 8. März mit den detaillierten Zahlen vorlegen.
Nach den ersten neun Monaten hatte der Konzern Verluste in Höhe von 216 Millionen Euro angesammelt, vor allem wegen hoher Abschreibungen. In Vorjahren mit Verlusten war Conti auch schon von seiner Politik abgewichen und hatte trotz roter Zahlen eine Dividende gezahlt. Grösster Aktionär von Conti ist die Industriellenfamilie Schaeffler mit 46 Prozent der Anteile.
Analyst Himanshu Agarwal von der US-Investmentbank Jefferies zufolge war weithin damit gerechnet worden, dass das Unternehmen seine Ziele beim Finanzmittelzufluss nicht mehr erreichen würde. Jedoch hätten die Autozuliefersparte und das Kunststofftechnikgeschäft Contitech beim Ergebnis enttäuscht, urteilte er.
Fachmann Philipp Konig von Goldman Sachs rechnet damit, dass die fehlenden Geldeingänge grösstenteils aus verspäteten Zahlungen von Kunden aus der Autoindustrie und von Reifenhändlern stammen und diese in diesem Jahr nachgeholt werden. Die operative Gewinnmarge in der Autozulieferung habe im vierten Quartal mit 2,1 Prozent nicht so hoch gelegen wie von ihm geschätzt, habe sich aber im Vergleich zum dritten Quartal wohl grundlegend weiter gebessert.
Für die Anleger sei nun wichtig, wie es in der Sparte im neuen Jahr weitergehe, schrieb JPMorgan-Experte Jose Asumendi. Schliesslich mache die Entwicklung die immer noch andauernden Herausforderungen in der Branche deutlich.
Continental hatte vor allem in der Autozulieferung zu kämpfen, weil die weltweite Autoproduktion infolge von Teileknappheit und Covid-Lockdowns in China immer wieder stotterte. Im abgelaufenen Jahr besserte sich schliesslich das Umfeld. Damit schrieb auch im vierten Quartal die Autozuliefersparte wieder operativ schwarze Zahlen - auf Jahressicht dürften aber erneut leichte Verluste angefallen sein, hiess es vom Konzern.
Das Reifengeschäft als Renditeperle im Konzern schnitt 2022 etwas besser ab als zuletzt in Aussicht gestellt - und machte damit Schwächen bei der Marge im Kunststofftechnikgeschäft der Sparte Contitech wett. Dort belasteten gestiegene Produktionskosten, ein unvorteilhafter Produktmix und Covid-Einschränkungen in China.
Neben den Herausforderungen im Tagesgeschäft plagen Conti derzeit weitere Probleme. So laufen etwa Untersuchungen dazu, wie Kunden lange Zeit mit Industrieschläuchen beliefert werden konnten, die die vereinbarten Qualitätskriterien nicht erfüllten. Ausserdem sorgte eine Hackerattacke auf die IT-Systeme für Aufregung - noch wird geprüft, ob und gegebenenfalls welche sensiblen Kundendaten mit abgegriffen wurden. Zudem ermitteln die Behörden weiter rund um mögliche Verfehlungen im Dieselabgasskandal./men/tav/jha/
(AWP)