Unbekannte hatten am Samstag wichtige Kommunikationskabel der Deutschen Bahn in Berlin und auch in Nordrhein-Westfalen zerstört. Daraufhin stand der Bahnverkehr in Norddeutschland über mehrere Stunden grösstenteils still, weil die Kommunikation zwischen den Leitstellen, die den Zugverkehr steuern, und den Zügen nicht mehr möglich war. Unzählige Fahrgäste strandeten an den grossen Bahnhöfen. An Auskunftsschaltern bildeten sich lange Warteschlangen. Nach Angaben der Deutschen Bahn normalisierte sich der Zugverkehr am Sonntag wieder.
Vieles deutet auf einen gezielten Angriff hin. Nach Angaben eines Sprechers der Bundespolizeidirektion Berlin gab es einen Tatort in der Bundeshauptstadt und einen weiteren in Nordrhein-Westfalen. Aus Sicherheitskreisen hiess es, es seien in beiden Fällen vorsätzlich sogenannte Lichtwellenleiterkabel beschädigt worden. Auch das Backup-System sei damit ausgefallen.
Nach Einschätzungen aus Sicherheitskreisen setzt das Vorgehen Insiderwissen über die Bahn voraus. Dass bislang kein Bekennerschreiben bekannt wurde, spricht gegen Täter aus der linksextremistischen Szene, denen in der Vergangenheit Anschläge gegen die Bahn zugeschrieben wurden. Die "Bild"-Zeitung berichtete am Sonntag, das Bundeskriminalamt (BKA) halte in einer internen Einschätzung auch staatliche Sabotage für denkbar. BKA und Bundesinnenministerium kommentierten den Bericht auf Nachfrage nicht.
Der Sicherheitsexperte Peter Neumann hält einen Angriff Russlands auf die kritische Infrastruktur in Deutschland für möglich. "Russland hat schon ein Interesse daran, in Europa Panik zu verursachen und zu signalisieren, dass es ganz heftig das Leben lahmlegen kann", sagte der Wissenschaftler dem Sender RTL. Es benötige erhebliches Wissen, um diese Knotenpunkte anzugreifen. Allerdings gebe es natürlich keine eindeutigen Beweise. "Momentan ist es noch eine Theorie."
In der SPD gibt es einem Bericht zufolge Überlegungen, der Bundespolizei mehr Befugnisse zu verschaffen. "Die Bedrohungslage ist hoch. Dies haben die Sabotageakte auf unsere Infrastruktur nochmal sehr deutlich gemacht", sagte Fraktionsvize Dirk Wiese der "Rheinischen Post". Wichtig sei daher, "dass unsere Sicherheitsbehörden die erforderlichen Ermittlungsbefugnisse zur Verfügung haben. Insbesondere müssen wir jetzt sehr schnell ein modernes Bundespolizeigesetz im Bundestag auf den Weg bringen." Die letzte Reform sei aus dem Jahre 1994, seitdem habe sich viel geändert. 2021 scheiterte eine Reform des Bundespolizeigesetzes im Bundesrat.
(AWP)