Für die kommenden Monate rechnet Spieker im Tagesgeschäft eher mit niedrigeren Margen. Diese dürften mit denen aus dem zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres vergleichbar sein. Die Jahresprognose basiere auf den vorsichtigen Annahmen, dass die Grosshandelspreise für Energie auch wieder signifikant nach oben gehen und dabei zeitweise sehr volatil sein könnten, sagte der Manager. Die ausgegebenen Zielspannen berücksichtigten im Vergleich zum derzeitigen Marktumfeld auch die Möglichkeit einer erneuten Verschlechterung im weiteren Jahresverlauf.

Dabei rechnet im Eon für 2023 im Vergleich zum Vorjahr mit einem Ergebnisrückgang. Die Zielspanne für das um nicht-operative Effekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen liegt bei 7,8 bis 8 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr hatte dieses Ergebnis bei 8,1 Milliarden Euro gelegen. Den bereinigten Konzernüberschuss prognostiziert das Management bei 2,3 bis 2,5 Milliarden Euro, was einem Gewinn von 0,88 bis 0,96 Euro je Aktie entspricht.

Die im Dax notierte Eon-Aktie stand am Nachmittag zuletzt mit gut einem Prozent im Minus. Ihr Kurs war seit Ende März stark gestiegen, sodass Anleger trotz des Rückschlags zur Wochenmitte seit dem Jahreswechsel einen Kursgewinn von rund 30 Prozent verbuchen können.

Nach der Kursrally preise die Aktie die Chancen schon annähernd ein, die sich aus der Energiewende ergäben, schrieb DZ-Bank-Analyst Werner Eisenmann. In der Branche gebe es zudem "bessere Alternativen für Dividendenjäger". Eon will die Aktionärsvergütung bis einschliesslich für das Geschäftsjahr 2027 jährlich um bis zu fünf Prozent erhöhen. Dieses Ziel bekräftigte der Vorstand nun und sieht sich auch für die im März bekannt gegebenen Investitionspläne auf einem guten Weg.

Analysten hatten bislang nicht damit gerechnet, dass Eon dieses Jahr den oberen Bereich seiner Ziele erreichen könnte. Marktexperte Vincent Ayral von der US-Bank JPMorgan attestierte dem Essener Unternehmen daher in einer ersten Reaktion auf den Quartalsbericht starke Ergebnisse. Eons Signale seien wieder einmal sehr positiv.

In den ersten drei Monaten des Jahres profitierte der Konzern unter anderem davon, dass er die gestiegenen Einkaufspreise für Strom an seine Kunden weitergeben konnte. Das war ihm vor einem Jahr noch nicht gelungen, weshalb die höheren Beschaffungskosten für Energie seine Margen unter Druck gesetzt hatten. Nun gab es Nachholeffekte.

Der Energievertrieb trug trotz geringerer Absatzmengen fast doppelt so viel zum Gewinn im Tagesgeschäft bei wie ein Jahr zuvor. Und auch das Netzgeschäft entwickelte sich mit einem Plus von 30 Prozent besser. Das erste Quartal sei von der Erholung des schwachen Vorjahrs geprägt, sagte Spieker. Die Ergebnisse befänden sich im Einklang mit jenen vor zwei, drei Jahren.

Der bereinigte operative Gewinn des Konzerns stieg im ersten Quartal um 30 Prozent auf knapp 2,72 Milliarden Euro und damit stärker als von Analysten erwartet. Der bereinigte Überschuss schnellte mit plus 51 Prozent noch deutlicher auf gut 1 Milliarde Euro nach oben. Eon bereinigt seine wichtigsten Kennziffern um nicht-operative Ergebniseffekte, etwa aus Derivaten und latenten Steuern. Ausserdem wird seit diesem Jahr auch das ehemalige sogenannte Nicht-Kerngeschäft ausgeklammert, dazu zählt der Beitrag aus dem Geschäft mit Atomenergie.

Hintergrund ist das Aus für die Kernenergie in Deutschland, das eigentlich schon für Ende 2022 geplant gewesen war. Die Eon-Tochter Preussenelektra ist die Betreibergesellschaft von Isar 2, dem Atomkraftwerk im bayerischen Essenbach, das dann erst zum 15. April 2023 abgeschaltet wurde.

Für seine rund 14 Millionen Strom- und Gaskunden kann Eon sich angesichts zurückgehender Grosshandelspreise auch Preissenkungen vorstellen. Irgendwann werde sich auch für die deutschen Kunden die Möglichkeit niedrigerer Tarife bieten, sagte Spieker. Deutschland habe im Vergleich zu anderen Ländern zwar die längsten Absicherungsfristen, erläuterte er. Deshalb könnte es seinen Ausführungen zufolge im Vergleich zu anderen Märkten hierzulande länger dauern, bis die Kunden etwas von den sinkenden Preisen merken.

Als Beispiel führte er die Niederlande an, wo die Preise bereits "steil" gefallen seien, als Nächstes stehe Grossbritannien im Fokus. Angesichts der sinkenden Grosshandelspreise für Energie sei es dann auch hierzulande lediglich "eine Frage der Zeit". Zunächst stünden aber noch einige Preiserhöhungen aus, die wie angekündigt im Juni umgesetzt werden sollen. "Wir befinden uns in einer Art Übergangsphase", sagte Spieker./lew/tav/stw

(AWP)