Selbst ein heisser und trockener Jahrhundertsommer wie im Jahr 2022 hat den inländischen Absatz alkoholhaltiger Biere lediglich auf 7,2 Milliarden Liter gesteigert, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Das waren 4 Prozent mehr als im historisch schwächsten Bierjahr 2021, als Gaststätten und Hotels monatelang geschlossen waren. Und eben auch 5 Prozent weniger als im noch coronafreien Jahr 2019.

Zusammen mit den steuerfreien Exporten und dem Haustrunk ergab sich ein Absatz von 8,8 Milliarden Litern, rund 2,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Die zwischenzeitlichen Verluste habe man nicht mehr aufholen können, konstatiert Eichele. Daran hat zum Jahresende auch die erstmals im Winter ausgetragene Fussball-Weltmeisterschaft nichts mehr geändert.

"Absolut ernüchternd" findet Christoph Koehler von der Darmstädter Privatbrauerei daher auch die bundesweite Entwicklung. Das eigene Haus habe im vergangenen Jahr 24 Prozent Plus gemacht, hatte allerdings vorher auch stärker gelitten, wegen des hohen Fassbieranteils.

Jetzt bietet das Geschäft in Kneipen und Biergärten sowie bei Veranstaltungen gute Chancen, zumal in der kaufkraftstarken Rhein-Main-Region wichtige Wettbewerber wie Pfungstädter oder Binding schwächeln. Während die Binding-Mutter Radeberger die Braustätte in Frankfurt schliessen will, gewinnen die Darmstädter mit der Marke "Bräustüb'l" gerade Restaurants, Gaststätten oder Veranstaltungsorte wie die Frankfurter Jahrhunderthalle zu ihrem Portfolio hinzu. Auf dem Gelände der Pfungstädter Brauerei plant der Investor ein Wohngebiet.

Ein paar Kilometer weiter hat es im nordpfälzischen Winnweiler die schon vor Corona angeschlagene Privatbrauerei Bischoff erwischt, die nach langem Insolvenzkampf im Sommer 2022 den Braubetrieb eingestellt hat. "Die notwendigen Investitionen, um den Brauereibetrieb wieder wirtschaftlich aufnehmen zu können, waren am Ende allen potenziellen Investoren zu hoch", berichtet Insolvenzverwalter Jürgen Erbe.

Der Anwalt aus der Kanzlei Schultze & Braun erwartet zwar keine riesige Pleitewelle unter den Brauereien, sieht aber insbesondere mittlere Betriebe im besonderen Stress. Sie können mit den grossen TV-Marken den Preiskampf um die Kästen im Supermarkt nicht mitgehen, keine überdurchschnittlichen Preise verlangen und müssen schliesslich Energie und Rohstoffe teurer einkaufen als die Grossen. Ausgerechnet jetzt stehe zudem für viele Betriebe die Rückzahlung der Corona-Überbrückungshilfen an. "Über so manchem Unternehmen hängt damit ein mitunter Millionen Euro schweres Corona-Hilfen-Damoklesschwert", sagt Erbe und plädiert für pragmatische Lösungen wie etwa die Stundung der Rückzahlung.

"Mit Schwarzmalerei ist noch nie ein Fass vom Hof gerollt", sagt aber auch Michael Huber, Generalbevollmächtigter des Branchenriesen Veltins. Die Sauerländer gehören mit einem Plus von 8,4 Prozent beim Jahresausstoss zu den Gewinnern des Vorjahres. Dass bereits 80 Prozent des Fassbiergeschäfts wiederhergestellt werden konnte, sei das wichtigste Signal für das Ende der Pandemie. Die Verbraucherstimmung bleibe allerdings ein unkalkulierbarer Faktor.

Auch die Berliner Craft-Brauerei Lemke erwartet für das laufende Jahr ein stärkeres Geschäft in den eigenen Gasthäusern wie auch bei den belieferten Wirten. "Der Mensch ist ein geselliges Tier", meint Brauerei-Sprecherin Anika Stockmann. Der Preis für den halben Liter kann dabei wegen der stark gestiegenen Kosten demnächst der Boulevard-Preisgrenze von 7,50 Euro für Spezialitätenbiere schon recht nahekommen. Das müsse man aber im Vergleich sehen, sagt Stockmann und verweist auf weit höhere Preise, wie sie in England, den USA oder auch dem klassischen Bierland Belgien aufgerufen würden. "Im internationalen Vergleich ist das Bier in der deutschen Gastronomie noch sehr preiswert."/ceb/DP/jha

(AWP)