Am Finanzmarkt wurden die Nachrichten positiv aufgenommen: Am Vormittag legte die Lufthansa-Aktie um knapp 5 Prozent zu und kostete erstmals seit 2020 wieder mehr als 10 Euro.

Im zweiten Corona-Jahr 2021 hatte die Lufthansa ohne Sondereffekte wie dem teuren Stellenabbau einen operativen Verlust von fast 1,7 Milliarden Euro verbucht. Auch 2022 war der Jahresstart noch von der Omikron-Variante des Coronavirus und damit verbundenen Reisebeschränkungen geprägt. Doch im Jahresverlauf zog die Nachfrage nach Flugtickets kräftig an.

Da auch das Geschäft mit der Luftfracht und der Wartung von Flugzeugen boomte, setzte der Vorstand sein Gewinnziel im Jahresverlauf gleich dreimal nach oben. Der bereinigte Betriebsgewinn von gut 1,5 Milliarden Euro traf die letzte Prognose vom Dezember fast punktgenau und erfüllte auch die durchschnittlichen Erwartungen von Branchenexperten.

Eine genaue Gewinnprognose für 2023 gab die Lufthansa-Führung zunächst nicht ab. Vom Konzern befragte Analysten gingen zuletzt im Schnitt von einem bereinigten operativen Gewinn von 1,65 Milliarden Euro aus. Nach Einschätzung des Vorstands dürfte die Frachtsparte Lufthansa Cargo ihren Rekordgewinn von 2022 zwar nicht wieder erreichen. Dafür soll die Passagiersparte im Tagesgeschäft wieder deutlich positive Zahlen schreiben.

Das Flugangebot dürfte dabei weiterhin ein gutes Stück kleiner ausfallen als vor der Pandemie. Derzeit geht das Management für 2023 im Schnitt von 85 bis 90 Prozent des Vorkrisen-Niveaus von 2019 aus - im ersten Quartal sogar nur von rund 75 Prozent. Die Lufthansa begründete dies mit erwarteten Engpässen im Luftverkehr. Schon Mitte Februar hatte der Konzern bestätigt, dass er seinen Sommerflugplan wegen der Personalknappheit in der Branche gestutzt hat.

Im vergangenen Jahr verdoppelte sich der Konzernumsatz nahezu und lag bei fast 32,8 Milliarden Euro. Unter dem Strich blieb ein Überschuss von 791 Millionen Euro nach einem Verlust von knapp 2,2 Milliarden im Jahr zuvor.

Insgesamt beförderten die Konzern-Gesellschaften Lufthansa, Eurowings, Swiss, Austrian und Brussels rund 102 Millionen Fluggäste und damit mehr als doppelt so viele wie 2021. Dennoch gelang im Passagiergeschäft nur den Töchtern Swiss und Austrian im Gesamtjahr die Rückkehr in die Gewinnzone. Konzernweit blieb die Passagiersparte mit 300 Millionen Euro in den roten Zahlen, da die Gewinne der zweiten Jahreshälfte die Verluste aus den pandemiegeprägten ersten sechs Monaten nicht ausgleichen konnten.

An niedrigen Ticketpreisen lag dies nicht: Im Gesamtjahr lagen die Durchschnittserlöse den Angaben zufolge 16 Prozent höher als 2019, im vierten Quartal sogar 21 Prozent höher. Allerdings hatte die Lufthansa auch höhere Treibstoffkosten zu schultern: Obwohl das Flugangebot des Konzerns 2022 nur bei 72 Prozent des Vorkrisenniveaus lag, fiel die Treibstoffrechnung mit 7,6 Milliarden Euro rund 900 Millionen Euro höher aus als damals.

Blendend lief erneut das Geschäft mit der Luftfracht. Die Konzerntochter Lufthansa Cargo erzielte einen bereinigten operativen Gewinn von 1,6 Milliarden Euro und übertraf damit ihr Rekordergebnis aus dem Vorjahr um rund 100 Millionen. Die Wartungssparte Lufthansa Technik profitierte von der Erholung des Luftverkehrs und erreichte mit einem bereinigten operativen Gewinn von 511 Millionen Euro ebenfalls einen Rekordwert. Die Catering-Sparte LSG kam hingegen auf einen Verlust von 11 Millionen Euro.

Trotz des Jahresgewinns sollen die Aktionäre des Konzerns für 2022 keine Dividende erhalten, wie aus dem Geschäftsbericht hervorgeht. Zudem will der Vorstand eine Liquidität von acht bis zehn Milliarden Euro bereithalten, um die Lufthansa gegen künftige Krisen besser zu schützen.

Nach dem Geschäftseinbruch infolge der Corona-Pandemie hatten Deutschland und Nachbarstaaten insgesamt neun Milliarden Euro bereitgestellt, um den Konzern und seine Töchter vor dem Untergang zu bewahren. Nach der Rückzahlung der Staatshilfen aus Deutschland und der Schweiz hat die Lufthansa nach eigenen Angaben im vierten Quartal auch die letzten Hilfsgelder aus Österreich und Belgien zurückgezahlt. Damit seien sämtliche staatlichen Stabilisierungsmassnahmen beendet worden, hiess es.

Die Gewerkschaft Verdi verlangt angesichts der Rückkehr des Konzerns in die Gewinnzone nun zusätzliches Geld für das Personal. Das Unternehmen solle allen Konzernbeschäftigten eine "Inflationsausgleichsprämie" von 3000 Euro zahlen, forderte Verdi-Konzernbetreuer Marvin Reschinsky am Freitag ausserhalb von Tarifverhandlungen. Ein weiteres Krisenjahr im Zuge des Personalmangels müsse abgewendet werden. Wenn Anreize für das Personal fehlten, werde man wieder einen Chaos-Sommer erleben, warnte Reschinsky.

Unterdessen arbeitet die Lufthansa weiter am Verkauf von Geschäftsteilen. So sollen die Tochter Airplus und der verbliebene Teil des Cateringgeschäfts von LSG veräussert werden, sobald die Marktbedingungen dies zulassen. Ausserdem bestätigte der Konzern Gespräche mit Investoren über einen möglichen Teilverkauf von Lufthansa Technik./stw/ceb/ngu/mis

(AWP)