Unter den Produktideen, die Musk dabei am Donnerstag nannte, war zum Beispiel, für die heute kostenlose Verifizierung der Nutzer Geld zu nehmen. Auch bekräftigte er die Absicht, gegen automatisierte Bot-Accounts anzukämpfen. Musk erzählte auch, wie er einst ein schlechtes Produkt auf Grundlage von Werbung dafür bei der Videoplattform YouTube gekauft und bei einer Websuche festgestellt habe, dass es sich um einen Betrug gehandelt habe. Sowas wolle er bei Twitter verhindern, sagte Musk.

WeChat ist eine sogenannte Super-App, die alle möglichen Funktionen von Messaging bis hin zu Einkaufs- und Bezahlmöglichkeiten beinhaltet. Versuche, eine solche Universal-Anwendung im Westen zu etablieren, schlugen bisher fehl. Bei Tiktok bekommen die Nutzer ein kurzes Video nach dem anderen vorgeschlagen. Musk lobte Tiktok dafür, dass die für Nutzer herausgesuchten Clips unterhaltsam seien.

Die Marke von einer Milliarde Nutzer war für Twitter stets weit ausser Reichweite. Nach jüngsten Zahlen waren es rund 230 Millionen täglich aktive Nutzer, denen der Dienst Werbung anzeigen kann, weil sie auf die hauseigene App oder die Web-Version zurückgreifen.

Frühere Kritik Musks, Twitter schränke zu stark die Redefreiheit ein, hatte auch Sorgen ausgelöst, dass unter seiner Regie mehr Tweets mit Falschinformationen oder Beleidigungen auf der Plattform bleiben könnten. Nun räumte er zwar ein, dass Nutzer Twitter verlassen würden, wenn sie angegriffen würden oder sich unwohl fühlten. Doch sie sollten auch "ziemlich empörende" Dinge veröffentlichen dürfen. Twitter könne aber die Verbreitung solcher Tweets drosseln.

Bei Musks Raumfahrtfirma SpaceX bekamen Mitarbeiter hingegen gerade die Grenzen der internen Redefreiheit zu spüren. Sie hatten in US-Medien einen offenen Brief in Umlauf gebracht, in dem sie sein Verhalten unter anderem auf der Twitter-Plattform als peinlich und eine Ablenkung für das Unternehmen kritisierten. Mehrere Initiatoren des Briefs wurden entlassen, wie die "New York Times" am Freitag unter Berufung auf eine interne E-Mail berichtete.

Dank Musks Online-Aktivitäten gerieten am Donnerstag auch SpaceX und Tesla ins Visier einer Anlegerklage. Ein US-Investor zog wegen erlittener Verluste mit dem Krypto-Spekulationsobjekt Dogecoin vor Gericht. Er wirft Musk und seinen Firmen vor, Teil eines illegalen Schneeballsystems zu sein, das den Dogecoin-Preis hochgetrieben und dann abstürzen lassen habe. Johnson strebt eine Sammelklage für alle an, die Geld mit Dogecoins verzockt haben.

Der Kläger beschuldigt Musk, Dogecoin als legitimes Investment dargestellt zu haben, obwohl es keinen Wert habe. Er will, dass Musk und seine Firmen für das Dreifache aller angeblichen Wertverluste aufkommen, die Dogecoin-Besitzer seit 2019 erlitten und beziffert die Summe auf 258 Milliarden Dollar. Dogecoin ist eine Digitalwährung, die eigentlich als Witz gedacht war. Angetrieben von Promis wie Musk wurde sie 2021 zu einem heissen Spekulationsobjekt und markierte ein Rekordhoch bei 74 Cent. Zuletzt kostete sie nur noch rund 5 Cent.

Mit Blick auf einen möglichen Stellenabbau bei Twitter sagte Musk, der Dienst müsse finanziell gesund sein - und im Moment lägen die Kosten über den Erlösen. Wer einen bedeutenden Beitrag leiste, habe jedoch nichts zu befürchten. Wertvolle Mitarbeiter kämen laut Musk auch eher infrage dafür, weiter von Zuhause aus arbeiten zu dürfen. Der Online-Dienst hatte den Beschäftigten zuvor zugesagt, dass sie auch nach dem Ende der Pandemie nicht zurück in die Büros gezwungen würden. Doch Musk schrieb gerade erst bei SpaceX und Tesla eine allgemeine Präsenzpflicht vor.

Die Unterhaltung mit Musk war zwar nur für die Belegschaft gedacht - Twitter-Mitarbeiter teilten Informationen daraus jedoch so freigiebig, dass mehrere grosse US-Medien Liveblogs aufsetzen konnten.

Weiter ist unklar, ob Musk am Ende Twitter-Eigentümer wird. Er einigte sich mit dem Twitter-Verwaltungsrat zwar auf eine Übernahme, ist aber auf die Zustimmung der Mehrheit der Anteilseigner angewiesen. Zugleich erklärte er den Deal für ausgesetzt, weil er Zweifel an den Angaben zur Zahl der Fake-Accounts habe. Twitter konterte, dass Musk die Vereinbarung nicht einseitig auf Eis legen könne und zeigte sich entschlossen, sie durchzusetzen.

Während Musk den Anteilseignern 54,20 Dollar pro Aktie bietet, stand die Aktie im vorbörslichen Handel am Freitag bei 38 Dollar. Musk hat also einen Anreiz, den Preis nachzuverhandeln, während bisherige Aktionäre ein Interesse haben, zu seinem Angebot zu verkaufen. Der Auftritt vor den Mitarbeitern wurde als Zeichen dafür gewertet, dass Musk weiter grundsätzlich am Kauf von Twitter interessiert ist./so/DP/mis

(AWP)