Netflix geht davon aus, dass rund 100 Millionen Haushalte den Service mit Login-Daten anderer nutzen. Das ist gemessen an den 232,5 Millionen zahlenden Kunden im vergangenen Quartal ein hoher Anteil. Netflix hatte lange das Teilen von Zugangsdaten toleriert. Inzwischen gibt es im Videostreaming-Geschäft aber generell einen verstärkten Fokus auf Profitabilität, nachdem die vielen Anbieter jahrelang auf der Jagd nach höheren Nutzerzahlen waren.

Netflix erwog, schon im ersten Quartal die Massnahmen gegen Trittbrettfahrer in Gang zu setzen, wie der neue Co-Chef Greg Peters in der Nacht zum Mittwoch in einer Videokonferenz zu den jüngsten Quartalszahlen sagte. Nach dem Start unter anderem in Kanada, Portugal und Spanien im Februar legte die Firma aber eine Pause ein. Peters deutete einige Probleme bei der Umstellung an. So habe man in den vergangenen Wochen daran gearbeitet, dass Nutzer etwa bei Reisen nahtlos auf Netflix zugreifen könnten. Man habe das Gefühl gehabt, "es wäre besser, sich etwas mehr Zeit zu nehmen". Netflix macht keine Angaben dazu, wie genau die Systeme eine unerlaubte Mehrfach-Nutzung der Logins erkennen.

Die Preise für zusätzliche Nutzer eines Accounts ausserhalb des Haushalts setze Netflix individuell für die einzelnen Märkte, sagte Peters. In Portugal waren es beim Start im Februar 3,99 Euro im Monat pro Person und in Spanien 5,99 Euro. In Deutschland dürfte der Preis eher am oberen Ende dieser Spanne liegen.

Netflix setzt darauf, dass die Filme und Serien im Angebot genug Anziehungskraft haben, um heutige Trittbrettfahrer zur Zahlung zu bewegen. Der Dienst fühlt sich nach den Erfahrungen in ersten Ländern darin bestärkt. Die erste Reaktion sei zwar ähnlich wie bei Preiserhöhungen der Verzicht, räumte Peters ein. In Kanada aber habe man inzwischen mehr zahlende Nutzer und mehr Umsatz als vorher.

Einen solchen Schub kann Netflix gut gebrauchen. Im ersten Quartal steigerte der Online-Videodienst die Kundenzahlen um 1,75 Millionen auf 232,5 Millionen Nutzerkonten, wie er am Vorabend nach US-Börsenschluss mitteilte. Experten hatten mit einem deutlich stärkeren Zuwachs gerechnet. Auch der Ausblick auf das laufende Vierteljahr fiel durchwachsen aus. Erst im zweiten Halbjahr rechnet Netflix - auch dank des Vorgehens gegen das Passwort-Teilen - mit einem Aufschwung. Ein weiterer Wachstumstreiber soll der im November gestartete günstigere Abo-Tarif mit Werbung werden.

Die Netflix-Aktie lag in New York am Mittwoch vorbörslich mit rund 1,3 Prozent im Minus. Am Vorabend hatten die Zahlen zunächst für herbe nachbörsliche Kursverluste von teils über zehn Prozent gesorgt, allerdings erholte sich die Aktie relativ zügig wieder. Vom heftigen Absturz nach dem Pandemie-Höhenflug hat sich das Papier bislang aber nicht erholt. Im November 2021 war die Aktie in der Spitze etwas über 700 US-Dollar wert gewesen. Nach einem rasanten Fall war der Kurs bis Frühjahr 2022 teilweise deutlich unter die Marke von 170 Dollar gerutscht, mittlerweile notierte sie wieder über 330 Dollar.

UBS-Aktienanalyst John Hodulik nahm die Quartalszahlen zum Anlass, eine Kaufempfehlung für die Aktie auszusprechen und sein Kursziel von 350 auf 390 Dollar anzuheben. Für den Wachstumstrend sei ein Wendepunkt gekommen, ab dem dritten Quartal soll es dem Experten zufolge wieder stärker aufwärtsgehen. Netflix dürfte von einem abnehmenden Wettbewerbsdruck profitieren, da die Konkurrenten bei der direkten Vermarktung an die Verbraucher mittlerweile mehr auf ihre Profite achteten. Die Schlachten der Streamingportale um neue Kunden waren teuer für die Branche. Die Ausgaben für Inhalte dürfen in diesem Jahr sogar sinken und damit die Gewinnentwicklung untermauern, schrieb Hodulik.

JPMorgan-Analyst Doug Anmuth sieht das geplante Kassieren für geteilte Accounts sowie den Ausbau von Werbung als Treiber, die kurzfristige Schwankungen überdauern sollten. Die Ansprache von Kunden in Sachen Bezahlen für geteilte Accounts sei zwar problematisch, unter anderem weil es auch solche Kunden treffen könnte, die ihre Login-Daten eben nicht anderen zur Verfügung stellten. Doch die Erfahrung aus Kanada stimme ihn zuversichtlich: Schliesslich habe Netflix dort nach anfänglichen Problemen wieder in die Wachstumsspur gefunden, sowohl bei der Kundenzahl als auch beim Umsatz. Es seien zwar nicht alle Märkte eins zu eins vergleichbar, allerdings dürfte es in anderen Ländern ähnliche Muster geben.

Den Umsatz steigerte Netflix in den drei Monaten bis Ende März im Jahresvergleich um knapp vier Prozent auf 8,2 Milliarden Dollar. Der Gewinn sank dennoch um rund 18 Prozent auf unterm Strich 1,3 Milliarden Dollar. Im laufenden zweiten Quartal erwartet Netflix keine grossen Sprünge - die Erlöse und das Nettoergebnis dürften mehr oder weniger auf dem Niveau des Vorquartals stagnieren.

Ausserdem gab Netflix bekannt, seinen DVD-Verleih nach rund 25 Jahren einzustellen. Der Versand per Post war das ursprüngliche Geschäftsmodell des 1997 gegründeten Unternehmens. Der Legende nach begann die Geschichte von Netflix sogar mit einem Leihvideo. Gründer Reed Hastings verlegte eine Videokassette und ärgerte sich über die Mahngebühren der Videothek, wie er später erzählte. Daraus entstand die Geschäftsidee einer DVD-Flatrate. Im Streaming-Zeitalter spielte dieser Service aber ohnehin kaum noch eine Rolle. Netflix begründete das Aus mit der geringen Nutzung./hbr/so/men/stw/jha/

(AWP)