Die ProSiebenSat.1-Aktie sackte am Freitagmorgen zeitweise um fast 19 Prozent ab. Zuletzt lag das Papier noch mit etwa 12,5 Prozent im Minus bei 8,55 Euro, war aber immer noch mit Abstand grösster Verlierer im MDax , dem Index der mittelgrossen Werte. Damit wurden die Kursgewinne seit dem Jahreswechsel nahezu ausradiert.

Analysten hatten zwar mit einer sinkenden Dividende gerechnet. Doch das tatsächliche Ausmass der Kürzung hatten sie nicht auf dem Zettel. So will das Management für das abgelaufene Jahr nur noch 5 Cent je Aktie ausschütten, nachdem die Anteilseigner ein Jahr zuvor noch 80 Cent erhalten hatten. Analysten hatten diesmal im Schnitt immerhin 66 Cent erwartet.

Vorstandschef Habets begründete die Kürzung mit einer veränderten Dividendenpolitik. Der Konzern bringe die Erwartungen der Anteilseigner "in Einklang mit angemessenen Bilanz-Relationen und finanziellem Spielraum für notwendige Investitionen in unser Geschäft". Künftig will die Gesellschaft 25 bis 50 Prozent des bereinigten Jahresüberschusses an die Aktionäre ausschütten. Damit wird die bislang gewohnte Quote zur Obergrenze.

Wie viel Geld die Anteilseigner künftig erhalten, will der Vorstand auch von den Schulden des Konzerns abhängig machen. So soll die Verschuldung zum Jahresende zwar generell weiterhin das 1,5- bis 2,5-Fache des bereinigten operativen Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (bereinigtes Ebitda) ausmachen. Doch Ende vergangenen Jahres lag der Verschuldungsgrad bereits beim 2,4-Fachen. Und für Ende 2023 geht das Management von einem Anstieg auf das 2,5- bis 3-Fache aus, sofern der Konzern etwa die Mitte seiner Gewinnprognose im laufenden Geschäft erreicht.

Im vergangenen Jahr bekam ProSiebenSat.1 die verschlechterte Konsumlaune der Verbraucher infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der hohen Inflation deutlich zu spüren. Weil viele Unternehmen in der Folge ihre Ausgaben für Werbung kürzten, sank der Umsatz des Medienkonzerns im Vorjahresvergleich um fast siebeneinhalb Prozent auf knapp 4,2 Milliarden Euro. Der um Sonderposten bereinigte operative Gewinn (Ebitda) brach um knapp ein Fünftel auf 678 Millionen Euro ein. Der für die Dividende massgebliche bereinigte Überschuss gab um mehr als 17 Prozent auf 301 Millionen Euro nach. Der tatsächlich auf die Aktionäre entfallende Nettogewinn brach infolge weiterer Belastungen sogar von 456 Millionen Euro im Vorjahr auf nur noch 5 Millionen Euro ein.

Und die Aussichten bleiben vorerst trübe. Nach Einschätzung des Managements dürften die Verbraucher in Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH-Region) 2023 wegen der hohen Inflation insbesondere in der ersten Jahreshälfte weiterhin stark aufs Geld schauen. Die schwierige Wirtschaftslage dürfte somit auch auf die Werbeeinnahmen drücken. Für die zweite Jahreshälfte geht der Vorstand von einer Erholung aus.

Für das Gesamtjahr rechnet die Konzernspitze mit einem Umsatz von 3,95 bis 4,25 Milliarden Euro. Im Vergleich zu 2022 ist damit sowohl ein Anstieg als auch ein Rückgang denkbar. Der bereinigte Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen dürfte der Prognose zufolge auf jeden Fall weiter sinken - und zwar auf 550 bis 650 Millionen Euro.

Überwachen und managen soll die Konzernfinanzen künftig Martin Mildner. Der 53-Jährige löst zum 1. Mai Ralf Peter Gierig ab. Mildner war zuletzt Finanzchef von United Internet (1&1, GMX, Web.de) und hatte das Unternehmen aus dem rheinland-pfälzischen Montabaur Ende März auf eigenen Wunsch verlassen. Der bisherige ProSiebenSat.1-Finanzchef Gierig hat sein Amt laut einer Mitteilung des Konzerns "in gegenseitigem Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat niedergelegt". Aufsichtsratschef Andreas Wiele und Vorstandschef Habets dankten dem 57-jährigen Gierig für seinen Einsatz für ProSiebenSat.1. in mehr als 20 Jahren. Gierig hatte den Vorstandsposten erst Anfang vergangenen Jahres übernommen./stw/he/tav/jha/

(AWP)