Am Markt kam das Bündel an Nachrichten schlecht an, die Aktie verlor zum Handelsstart 3,6 Prozent. Ein Händler sprach von Gewinnmitnahmen nach einem enttäuschenden Ausblick. Die US-Investmentbank Goldman Sachs schrieb in einer ersten Stellungnahme, SAP hätte im zweiten Quartal durchwachsene Ergebnisse erzielt. Der neue Ausblick für das operative Ergebnis 2022 sei eher mau, hiess es weiter.

Da half auch ein neuerliches Aktienrückkaufprogramm über bis zu 500 Millionen Euro kaum, mit dem SAP Papiere für die anteilsbasierte Vergütung erwerben will - und damit den Kursverfall der vergangenen Monate nutzt. Mit dem Abschwung vor allem von Tech-Werten in diesem Jahr war auch der SAP-Kurs unter Druck geraten, Anfang Januar war das Papier noch an die 125 Euro wert, in den vergangenen Wochen schwankte es um die 90 Euro.

Währungsbereinigt dürfte das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern dieses Jahr nun gegenüber dem Vorjahr um 4 bis 8 Prozent fallen, hiess es vom Konzern. Klein und Finanzchef Luka Mucic hatten zuvor noch ein stagnierendes oder um bis zu 5 Prozent fallendes Betriebsergebnis angepeilt. Grund für die schwächeren Aussichten seien einerseits Kosten für die Einstellung der Geschäfte in Russland und Belarus, aber auch ein möglicherweise weiter deutlicher Rückgang bei den Softwarelizenzverkäufen. Auch die Steuerquote dürfte dieses Jahr höher liegen als zuvor gedacht.

Beim Umsatz und dem freien Barmittelzufluss bleibt SAP bei den bisherigen Annahmen für 2022. Im Tagesgeschäft läuft es nach Angaben des Managements rund, die Cloudsoftware zur Nutzung über das Netz wuchs deutlich. Der Umsatz insgesamt legte auch dank der Euroschwäche um 13 Prozent auf 7,5 Milliarden Euro zu. Die Clouderlöse zogen dabei um ein gutes Drittel an.

Klein und Mucic führten das in einer Telefonkonferenz auf den Erfolg des Produktbündels "Rise" zum schnelleren Umstieg der Kunden in die Cloud zurück. Für die Mittelfristambitionen 2025, die ein Wachstum des jährlichen Cloudumsatzes auf über 22 Milliarden Euro vorsehen (2021: 9,4 Mrd), stellte Mucic in den kommenden Quartalen ein "positives Update" in Aussicht. Dabei dürfte laut dem Finanzchef auch die vorteilhafte Wechselkursentwicklung eine Rolle spielen - den Mittelfristausblick gibt SAP inklusive Währungseinflüssen an. Laut Klein liegt der Konzern bei der Umstellung der Kunden auf die Cloud aber auch über Plan.

Klein hat im Herbst 2020 in einem für Anleger sehr schmerzhaften Ruck die Anstrengungen von SAP in Richtung Cloud deutlich forciert. Dafür opfert das Unternehmen auch Rendite, weil die herkömmliche Lizenzsoftware zu Anfang dank ihrer hohen Einmalverkaufspreise profitabler ist - die Cloudverträge rechnen sich erst nach längerer Laufzeit über die Abo-Beträge. Weil für den Strategieschwenk auch die Technik umgebaut wird und der Vertrieb mit finanziellen Anreizen auf den Verkauf von Cloudprodukten getrimmt wird, kostet das Geld.

Die Investitionen dafür betrugen im zweiten Quartal rund 100 Millionen Euro, wie Mucic erläuterte. Und sie werden noch bis Mitte 2023 anhalten, ab dann will der Konzern die Ernte einfahren. Im Gesamtjahr 2023 soll das bereinigte operative Ergebnis im zweistelligen Prozentbereich wachsen, wie Mucic bestätigte.

Bis dato steckt das Unternehmen aber noch in der Talsohle. Das bereinigte operative Ergebnis ging im zweiten Quartal um 13 Prozent auf 1,68 Milliarden Euro zurück und fiel damit schwächer aus als von Experten im Schnitt gedacht. Die Aufgabe von Geschäften in Russland und Belarus fiel dabei mit 160 Millionen Euro ins Gewicht, nicht zuletzt wegen der laut Mucic "ironischen" Aufwertung des russischen Rubels. Aufs Jahr gesehen dürften wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine rund 350 Millionen Euro Kosten anfallen und damit im zweiten Halbjahr noch einmal zusätzliche 120 Millionen Euro.

In der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage griffen die Kunden vorwiegend auf die Cloudsoftware zurück, was zwar der Marschrichtung von Klein zugutekommt, aber eben auch die Margen belastet. Die Lizenzsoftware schnitt noch schwächer ab als befürchtet. Dem unerwartet schwachen Lizenzgeschäft stehe ein starkes Abschneiden in der Cloud gegenüber, schrieb Goldman-Sachs-Analyst Mohammed Moawalla. Der stark wachsende Auftragsbestand für die Kernsoftware S4 Hana deute einen schnelleren Schwenk der Kunden in diesem Bereich an.

Auch unter dem Strich macht sich die wirtschaftliche Lage bemerkbar, der Nettogewinn sackte um 86 Prozent auf nur noch 203 Millionen Euro ab. Nicht nur der Aktienkurs von SAP, sondern insbesondere auch die Marktbewertung von kleineren Tech-Start-ups hat in den ersten Jahresmonaten deutlich gelitten. SAP investiert mit seiner Beteiligung am Risikokapitalgeber Sapphire Ventures genau in solche Unternehmen. Vor einem Jahr hatte das noch kräftig Gewinn gebracht durch höhere Bewertungen der Hoffnungsfirmen, diesmal war der Saldo solcher Investments sogar negativ.

Immerhin spielt derzeit der schwache Euro den Walldorfern in die Karten. Während SAP zwar den Jahresausblick ohne Wechselkurseffekte angibt, rechnet das Unternehmen durch die nun vorteilhaftere Umrechnung von Fremdwährungen in Euro mit Rückenwind bei den berichteten Zahlen. Das Wachstum der Clouderlöse dürfte dadurch noch einmal 7 bis 9 Prozentpunkte höher ausfallen, die Veränderung des bereinigten Betriebsergebnisses wird um 2,5 bis 4,5 Prozentpunkte aufgebessert./men/ngu/stk

(AWP)