Die Höhe des Bussgeldes ist unklar. Einem früheren Schreiben der Behörde zufolge werden bis zu 50 000 Euro je Standort in Betracht gezogen - das wären knapp 50 Millionen Euro. Es ist aber davon auszugehen, dass der Betrag niedriger sein wird. In dem Verfahren bekommt 1&1 die Möglichkeit zur Stellungnahme. Je stichhaltiger die Argumente der Firma aus Montabaur (Rheinland-Pfalz) sind, desto geringer wird das Bussgeld ausfallen. Eine Sprecherin des Unternehmens sagte, die Eröffnung des Verfahrens komme nicht überraschend. "1&1 wird im Rahmen der Anhörung gegenüber der Behörde Stellung beziehen."

In Deutschland gibt es bisher drei Handynetze, und zwar von der Deutschen Telekom, Telefónica Deutschland (O2) und Vodafone . 1&1 ist die Nummer 4. Allerdings existiert dieses Netz bisher nur in einer abgespeckten Miniversion als sogenanntes Festnetz-Ersatzprodukt: Nur bestimmte Kunden werden mit den wenigen bereits funkenden 1&1-Antennen verbunden, um in ihren eigenen vier Wänden Internet zu haben. Handynutzer, die unterwegs sind und an den Sendestationen vorbeikommen, haben keine Verbindung. Der Startschuss für die mobile Nutzung soll im Herbst sein.

Bei den Frequenzauktionen bekommen die Netzbetreiber Pflichten auferlegt, damit sie ihr Netz schnell verbessern. Üblicherweise haben alle Betreiber mehr oder weniger Schwierigkeiten bei der Auflagenerfüllung. Ende 2019 scheiterte Telefónica deutlich. Weil das Unternehmen zu wenige Standorte in Betrieb genommen hatte, drohte die Behörde mit einem Zwangsgeld von 600 000 Euro. Danach kam der Ausbau von O2 allmählich in die Gänge, und die Auflage wurde verspätet erfüllt. Daher wurde das Zwangsgeld nicht verhängt.

Nach Ansicht von Branchenexperten ist das Einschreiten der Netzagentur gegen 1&1 überfällig. "Der Ausbaustand des 1&1-Netzes liegt so weit hinter den Auflagen zurück, dass der Aufsichtsbehörde gar nichts anderes übrig blieb", sagt Torsten Gerpott von der Universität Duisburg-Essen. Die erstmalige Bussgeld-Verhängung sei finanziell für das Unternehmen zwar verkraftbar. "Aber es ist ein desaströses Signal und ein bleibender Makel für die Reputation von 1&1."

Aber liegt es nicht eigentlich an Zulieferern, die viele Masten bauen sollten und Zusagen an den Auftraggeber 1&1 nicht einhielten? Gerpott schüttelt den Kopf. So ein Argument sei "nicht tragfähig", sagt der Professor. "1&1 hat selbst Fehler gemacht, etwa in der Wahl des Technikpartners." Zudem habe die Firma die Komplexität eines Netzbaus unterschätzt. Es sei nun "eine spannende Frage, ob 1&1 überhaupt noch die Kurve kriegt".

Im Bundestag stiess die erstmalige Eröffnung eines Bussgeldverfahrens gegen einen Netzbetreiber auf Zustimmung. "Es ist positiv, dass die Bundesnetzagentur ihren Instrumentenkasten nutzt, damit die Handynetze möglichst gut sind", sagte der Grüne Maik Aussendorf. "Ich bin sicher, dass die Aufsichtsbehörde mit Augenmass vorgeht." Sein FDP-Kollege Reinhard Houben bezeichnete die Verfahrenseröffnung als "nur logisch". Schliesslich habe 1&1 die Zusagen nicht erfüllt.

Eine weisse Weste in Sachen Ausbaupflichten haben die drei etablierten Netzbetreiber Telekom, Vodafone und O2 derzeit nicht. Bei wichtigen Teilen der Vorgaben kamen die drei Platzhirsche zwar gut voran, in einem anderen Teil hingegen nicht. Sie sollten bis Ende 2022 gemeinsam 500 "weisse Flecken" schliessen - also Handyverbindungen dort ermöglichen, wo bisher gar kein Netz erreichbar ist. Diese Vorgabe hielten sie nicht ein. Aus dem Schreiben geht hervor, dass die Netzagentur ihre Ermittlungen zu diesem Thema noch nicht abgeschlossen hat. Ein Bussgeldverfahren wurde allerdings nicht eingeleitet./wdw/DP/nas

(AWP)