Der Bericht zeigt, dass die Erde schon zehn Jahre früher als erwartet, also 2040, um 1,5 Grad wärmer sein dürfte. "Die Zeit spielt also gegen uns", sagte Haegeli. Er sehe den Bericht deshalb als Appell an die Gesellschaft, die Wirtschaft und die Staaten, sich mehr für den Kampf gegen den Klimawandel einzusetzen. "Am teuersten wird es, wenn wir nichts gegen den Klimawandel unternehmen."
Ohne Klimaschutzmassnahmen bestehe das Risiko, dass die globale Wirtschaftsleistung bis 2050 um etwa 18 Prozent sinken werde. Laut Haegeli zeigt der IPCC-Bericht nicht nur, welche Schäden der Ausstoss von Klimagasen anrichtet, sondern auch, wer dafür verantwortlich ist. "Das hilft uns dabei [...] dafür zu sorgen, dass der Ausstoss von Treibhausgasen einen Preis bekommt und nicht mehr einfach auf Kosten der Allgemeinheit geht", sagte er.
Für ein wichtiges Instrument hält er die Besteuerung des CO2-Ausstosses. "Aber es braucht eine breite Palette an Massnahmen." Entscheidend sei, dass die Massnahmen sozial abgefedert seien - "Die Proteste der Gelbwesten in Frankreich sollten uns hier eine Mahnung sein - und dass Transparenz herrsche: "Firmen und auch Staaten müssen in Zukunft offenlegen, wie sie der Klimawandel konkret betrifft und was sie dagegen machen", so Haegeli.
Ratingmodell als Chance
Dabei kann sich der Swiss-Re-Chefökonom beispielsweise auch ein Ratingmodell vorstellen. "Mich würde nicht überraschen, wenn es in naher Zukunft eine Ratingkategorie zu den Klimarisiken jedes Landes geben würde." Nachhaltiges Investieren sei zwar schon in aller Munde. "Fakt ist aber: Von allen Anleihen, die weltweit ausgegeben werden, erfüllen nur 2 bis 3 Prozent die Vorgaben des Klimaschutzes."
Weil die Versicherungsindustrie fast ein Drittel des weltweiten, langfristig angelegten Investitionskapital verwaltet, hat die Swiss Re laut Haegeli ein grosses Interesse daran, alle Risiken zu evaluieren: "Welche Gefahr droht unseren Anlagen durch den Klimawandel? Besteht die Gefahr von 'stranded assets', also Anlagen, die wegen des Klimawandels wertlos werden? Der neue Bericht hilft uns bei dieser Beurteilung."
Und dabei geht es auch darum, herauszufinden, in welche Aktivitäten man nicht mehr investiert. "Ohne Versicherungen werden wir nicht mehr die Investitionen in klimaschädliche Aktivitäten sehen, wie wir sie bis jetzt hatten", sagte Haegeli.
Dass einfach andere Versicherungen die Lücken füllen, dürfte sich laut dem Swiss-Re-Chefökonom ändern. Grund dafür ist laut Haegeli das zunehmende Prozessrisiko. Als Beispiel verweist er auf ein Urteil, das Shell dazu verpflichtete, sich aus Klimaschutzgründen von seinem Kerngeschäft zu verabschieden. "Vor fünf Jahren waren solche Urteile noch unvorstellbar. Mit den unmissverständlichen Aussagen im neuen IPCC-Bericht werden diese rechtlichen Risiken nun noch grösser."
tv/
(AWP)