Im ersten Halbjahr fiel jedoch wegen milliardenschwerer Abschreibungen im Auftaktquartal noch ein Verlust in Höhe von 335 Millionen Euro an. Das Unternehmen, an dem der Ludwigshafener Chemiekonzern BASF gut 70 Prozent hält, war mit rund einer Milliarde Euro an der Finanzierung der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 beteiligt. Die Investition wurde abgeschrieben. Hinzu kamen weitere russlandbezogene Wertminderungen von rund 500 Millionen Euro. Bereinigt um Sondereffekte wie die Abschreibung legte der Überschuss in den ersten sechs Monaten von 339 Millionen im Vorjahr auf knapp 1,3 Milliarden zu.

Für das Gesamtjahr hat Wintershall Dea das Produktionsziel erhöht und will nun täglich bis zu 640 000 Barrel (159 Liter) Öl und Gas fördern. Zuvor hatte das Unternehmen bis zu 630 000 Barrel angepeilt. Im zweiten Quartal produzierte der Konzern 623 000 Barrel pro Tag.

Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine muss sich Wintershall Dea neu aufstellen. Etwa die Hälfte seiner Öl- und Gasproduktion stammt aus Russland. Unternehmenschef Mario Mehren betonte am Dienstag erneut, man habe die Zahlungen nach Russland eingestellt und mit einem klaren Nein auf neue Projekte in Russland sowie mit russischen Partnern ausserhalb Russlands reagiert. Die Beteiligung an bestehenden Projekten in Russland erhalte man allerdings aufrecht. Es fliesse durch sie kein frisches Geld nach Russland, sie finanzierten sich selbst. Bei einem Rückzug würden Mehren zufolge Milliardenwerte an den russischen Staat fallen.

Das Unternehmen will sein Geschäft nun ausserhalb Russlands ausweiten. Alle Optionen für zusätzliche Gasmengen und eine zusätzliche Energieversorgung würden geprüft. Dazu gehörten die Grossprojekte Nova, Njord und Dvalin in Norwegen. Ziel sei es, die Produktion dort bereits Ende dieses Jahres aufzunehmen. Zudem prüfe Wintershall Dea Möglichkeiten in Ländern, in denen das Unternehmen bereits aktiv sei, wie etwa Algerien. Ausserdem nehme es neue Länder in den Blick. Zudem will der Konzern geplante Investitionen in den Bereichen Carbon Management und Wasserstoff vorantreiben.

Zu der Ankündigung des russischen Gaskonzerns Gazprom, die Lieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 weiter zu senken, sagte Mehren: Nord Stream AG als Operator der Pipeline habe die Wartung am 11. Juli begonnen und am 21. Juli ohne grosse Funde beendet. Das Pipeline-System sei voll einsatzbereit und könne mit voller Auslastung jederzeit genutzt werden. Der Grund für die geringere Gasmenge liege im Gazprom-Netzwerk. Wintershall Dea habe selbst als Anteilseigner an Nord Stream 1 kein Insiderwissen bezüglich der wahren Gründe für die Reduzierung der Liefermengen an Gas. Er werde darüber auch nicht spekulieren.

Gazprom habe aber in den vergangenen Wochen mit seinen Reduzierungen und Unterbrechungen der Gaslieferungen das Vertrauen als sicheren Lieferanten von Energie für Europa zerstört, betonte Mehren. Ein Vertrauen, das über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Das sei eine deprimierende Nachricht.

Von diesem Mittwoch an sollen noch 20 Prozent oder 33 Millionen Kubikmeter Gas täglich durch die wichtigste Versorgungsleitung nach Deutschland fliessen, wie Gazprom am Montag mitgeteilt hat. Grund sei die Reparatur einer weiteren Turbine, hiess es. Kremlchef Wladimir Putin eine weitere Drosselung bereits angedroht. Er hatte dabei auf vom russischen Energieunternehmen verwendete Turbinen verwiesen.

Erst vor knapp einer Woche waren die Gaslieferungen über die derzeit wichtigste Verbindung nach Deutschland für russisches Erdgas nach einer zehntägigen Routinewartung wieder aufgenommen worden. Bereits im Juni hatte Gazprom die Lieferungen über die Pipeline auf 40 Prozent der Maximalkapazität gedrosselt und auf die zur Reparatur nach Kanada verschickte Turbine verwiesen. Die Bundesregierung hält dies für einen Vorwand.

Wintershall Dea ist 2019 aus der Fusion der Wintershall Holding GmbH und der Dea AG hervorgegangen. Das Unternehmen mit Sitz in Kassel und Hamburg beschäftigt weltweit knapp 2500 Mitarbeiter. Neben der Mehrheitsbeteiligung von BASF gehört der Rest am Konzern der ehemaligen Dea-Eignerin LetterOne. Deren Anteilseigner, die russischen Oligarchen Michail Fridman und Petr Aven, wurden Anfang März auf die Sanktionsliste der Europäischen Union gesetzt. Die beiden gaben ihre Posten im Verwaltungsrat von LetterOne auf, ihr Vermögen in dem Unternehmen wurde eingefroren./mne/lew/jha/

(AWP)