In der Schweiz gibt es rund 300 Unternehmen, deren Aktien nicht an einer Börse wie der SIX kotiert sind und daher ausserbörslich, sprich: "Over-the-Counter" gehandelt werden. Dieser Handel geschieht beispielsweise durch die Berner Kantonalbank über www.otc-x.ch oder durch die Zürcher Privatbank Lienhardt & Partner. 

Obwohl das OTC-Trading eher wenig beachtet wird, bietet dieser Markt durchaus Chancen: So steht der Lienhardt & Partner Nebenwerte TR Index, der 71 nichtkotierte Aktien umfasst, 2022 "nur" 5 Prozent tiefer. Der Index umfasst die wertvollsten und liquidesten Titel im Schweizer OTC-Universum. Im Gegensatz dazu hat der Swiss Performance Index (SPI), der nahezu alle kotierten schweizerischen Aktiengesellschaften abbildet, 19 Prozent verloren.

Zusammensetzung des Aktionärskreises sorgt für Stabilität

Ein Grund für diesen stabilen Kursverlauf bei nichtkotierten Schweizer Nebenwerten liegt beim Aktionariat der Firmen: Internationale oder auch institutionelle Investoren stellen eher die Ausnahme dar. In Krisenzeiten wird das Kapital daher nicht ins Ausland umgeschichtet. Eine hohe Inflation, steigende Zinsen oder der Krieg in der Ukraine hinterlassen kaum Spuren. 

Besitzer dieser Aktien sind stattdessen überwiegend Anlegerinnen und Anleger aus der Schweiz, wobei auch die regionale Herkunft des Unternehmens eine grosse Rolle bei der Zusammensetzung des Aktionariats spielt. Diese Investorinnen und Investoren haben in der Regel einen längeren Anlagehorizont, die Aktien sind dadurch weniger volatil.

Nicht nur verfügen die nichtkotierten Unternehmen gesamthaft gesehen über defensive Qualitäten, viele davon sind auch grosszügige Dividendenzahler. Die Top Ten, welche die Privatbank Lienhardt & Partner für cash.ch zusammengestellt hat, ist in der untenstehenden Tabelle abgebildet. 

Die Nummer eins, Unione Farmaceutica Distribuzione, stellt mit einer Dividendenrendite von 9,5 Prozent selbst die an der SIX kotierten Adecco mit 8,7 Prozent oder Swiss Re mit 7,5 Prozent in den Schatten. Das Unternehmen aus dem Tessin ist Distributor von Medikamenten und wird von der an der SIX kotierten Galenica-Gruppe kontrolliert.

Top Ten der besten Dividendenzahler des Lienhardt & Partner Nebenwerte TR Index

UnternehmenKursentwicklung seit Jan. 2022Dividendenrendite
Unione Farmaceutica Distribuzione+2 Prozent9,5 Prozent
CKW -5 Prozent6,7 Prozent
Swisstulle+15 Prozent5,7 Prozent
HBB Holding-16 Prozent4,8 Prozent
Stadtcasino Baden+5 Prozent4,4 Prozent
Bondpartners +19 Prozent4,2 Prozent
Arosa Bergbahnen+6 Prozent4,0 Prozent
EW Jona-Rapperswil-8 Prozent3,9 Prozent
ZT Medien+12 Prozent3,9 Prozent
Holdigaz-18 Prozent3,5 Prozent

Stand : Mittwoch, 21. September 2022 (Quelle: Lienhardt & Partner).

Preisfindung ist bei nichtkotierten Aktien erschwert

Doch es ist bekanntermassen nicht alles Gold, was glänzt: Die Titel dieses Segments werden nur selten gehandelt, was die Preisfindung erschwert. "Mit wenig Geld kann der Kurs bewegt werden", sagt André Spillmann von der Lienhardt & Partner Privatbank gegenüber cash.ch. Bei Gesellschaften, wo ein Market Maker aktiv sei, bestehe aber genügend Liquidität.

Und die Offenlegungspflichten sind um einiges limitierter als bei kotierten Werten. "Wenn man nicht als Aktionär eingetragen ist, hat man in einigen Fällen keinen Zugriff auf den Geschäftsbericht und es sind wenige Analysten-Studien zu den Titeln erhältlich", erklärt Spillmann.

Erschwerend kommt hinzu, dass diese Titel nur über spezielle Handelsplattformen gehandelt werden. Immerhin sind die Gebühren dort in der Regel tiefer als an den "grossen Börsen".  

Bezüglich Informationspolitik vorbildlich sind die Arosa Bergbahnen. Im Geschäftsjahr 2021/22 überraschte das Verkehrsdienstleistungs- und Tourismusunternehmen mit einem Rekordergebnis, wie im Juli berichtet wurde. Begünstigt durch optimale Umweltbedingungen sorgte insbesondere das Wintergeschäft für einen erfreulichen Geschäftsverlauf. Diese Entwicklung trieb nicht nur den Aktienkurs um 6 Prozent in die Höhe, sondern erlaubte auch die Reaktivierung der pausierten Dividendenpolitik.

Mit CKW, EW Jona-Rapperswil und Holdigaz weisen von den zehn Top-Dividendenzahlern lediglich drei Versorger-Titel eine negative  Kursperformance von bis 18 Prozent aus für 2022. Insbesondere die Entwicklung bei Holdigaz, das 160 Gemeinden in den Kantonen Waadt, Wallis und Freiburg mit Erdgas versorgt, ist angesichts des gestiegenen Preises für den Energieträger nicht erstaunlich. Der Verwaltungsrat hat mit dem Jahresergebnis im Juli - 45 Prozent weniger Reingewinn - auch angedeutet, dass die Dividende Ende September den Ergebnissen angepasst werde. 

NZZ als «Rolls-Royce unter den Substanzwerten mit nachhaltiger Dividendenpolitik»

Für den Anlageexperten Spillmann sind unter den Versorgern EW Jona-Rapperswil oder Repower Substanzwerte, die sich für eine Investition anbieten. "Der Rolls-Royce unter den Substanzwerten mit nachhaltiger Dividendenpolitik ist aber die NZZ", fügt Spillmann gegenüber cash.ch an. NZZ und Repower, die zu den zwanzig besten Dividendentiteln gehören, bieten eine Ausschüttungsrendite von 3,5 Prozent respektive 3,1 Prozent.

Der stärkste Kursgewinn unter den Top-Dividendenzahlern verzeichnet mit 19 Prozent das in Lausanne beheimatete Bondpartners. Doch hier sollten Anlegerinnen und Anleger vor einem Kauf vorsichtig sein. Die steigenden Zinsen beförderten im ersten Halbjahr den auf Anleihen spezialisierten Effektenhändler in die Verlustzone. Im gegenwärtigen Marktumfeld dürfte die Durststrecke noch länger anhalten und den Aktienkurs wohl schlussendlich belasten.

Ein positiveres Gegenstück dazu bietet die HBB Holding, deren Aktien diesjährig mit 16 Prozent ebenfalls stark angezogen haben. Die auf Biegetechnik von Metall spezialisierte Industriegruppe aus Walzenhausen im St. Galler Rheintal bietet derzeit eine Dividendenrendite von 4,8 Prozent. Insbesondere zahlt HBB Holding diese steuerfrei aus den Kapitaleinlagereserven. Auch in den kommenden Jahren soll an dieser aktionärsfreundlichen Ausschüttungspolitik festgehalten werden. 

Ein auf den ersten Blick interessanter Kandidat ist auch das Stadtcasino Baden. Die Ausschüttungsrendite beträgt gegenwärtig 4,4 Prozent und der Aktienkurs hat sei Jahresbeginn 5 Prozent zugelegt. Für Kursfantasien sorgt sicherlich die Expansion in die Online-Welt. Die Erträge des Online-Casinos befinden sich auf der Höhe der klassischen Casinos. Langfristig könnte aber auch ein deutlicher Kursabfall eintreten. Die heutigen Casino-Konzessionen werden 2024 auslaufen. Der Bundesrat wird voraussichtlich im Herbst 2023 über die Vergabe der neuen Konzessionen entscheiden.

ManuelBoeck
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