Beim Wort Kapitalerhöhung zucken viele Aktionäre erst mal zusammen. So geschehen bei der Solartechnologiefirma Meyer Burger letzte Woche. Mit dem Halbjahresbericht kommunizierte Meyer Burger auch einen Grossauftrag, den das Unternehmen an Land gezogen hatte. Um diesen abzuwickeln, muss das Unternehmen wohl neues Kapital aufnehmen.

Die Aktie von Meyer Burger tauchte unmittelbar nach Börseneröffnung, schloss dann aber deutlich im Plus. Ein Händler erklärte diese Reaktion gegenüber AWP so: "Wenn der Markt Kapitalerhöhung hört, heisst es als erste Reaktion in der Regel meistens: Verkaufen. Doch bei näherer Betrachtung zeigte sich in diesem Fall, dass das Kapital gut investiert wird und das ist längerfristig positiv für das Unternehmen und den Aktienkurs."

Das Beispiel zeigt: Kapitalerhöhungen können komplex sein - und nicht per se schlecht für Anleger. Es kommt immer auf den Gesundheitszustand und die Pläne der Firmen an.

Dazu auch Beispiele aus dem Jahr 2018: Beim damals hochverschuldeten Backwarenhersteller Aryzta etwa wurde ein solcher Schritt lange herbeigesehnt, damit eine mögliche Pleite abgewendet wurde. Anders bei SPS: Der Immobilienkonzern stand finanziell solide da, er brauchte das Geld aber zur Wachstumsfinanzierung, wie beim Fall Meyer Burger. Die Aktie sank nach Ankündigug der Kapitalerhöhungen dennoch, weil Anleger eine Verwässerung des Gewinnes befürchteten. Das heisst: Der Gewinn des Unternehmens wird nach der Kapitalerhöhung auf mehr Aktien verteilt.

Doch wie sollen sich Anleger generell bei Kapitalerhöhungen verhalten? Folgende Fragen stehen dabei im Zentrum:

Wer kann neue Aktien beziehen?

Schlecht ist es für Aktionäre, wenn es bei der Kapitalerhöhung zu einem "Accelerated Bookbuilding" kommt. Dann werden die neuen Aktien nämlich nicht Privatanlegern, sondern ausschliesslich ausgewählten institutionellen Anlegern angeboten. Die Kapitalaufnahme erfolgt in einer sehr kurzen Zeitspanne, bei den bestehenden Aktien kommt es meist zu leichten Kursabschlägen. Dieses Verfahren stellt aber die Ausnahme dar. Im Normalfall, so auch bei den Beispielen Aryzta und SPS, bekamen alle bestehenden Aktionäre die Möglichkeit, zu einem bestimmten Bezugsverhältnis neue Aktien zu beziehen.

Dazu ein weiteres Beispiel, nämlich Leonteq: Im Rahmen der im Juli 2018 durchgeführten Kapitalerhöhung konnten bestehende Aktionäre neue Titel im Verhältnis 16 zu 3 beziehen. Wer also bereits 160 Leonteq-Aktien besass, bekam das Recht, 30 neue zu erwerben.

Zu welchem Preis werden die neuen Aktien angeboten?

Haben Aktionäre die Möglichkeit, neue Aktien zu erwerben, so spielt der festgelegte Bezugspreis eine entscheidende Rolle. Häufig liegt dieser relativ klar unter dem gegenwärtigen Aktienkurs. Damit vermeidet das Unternehmen, dass bestehende Aktionäre nicht benachteiligt werden und an der Kapitalerhöhung mitmachen. Häufig lösen Bezugsverhältnis und Bezugsrecht auch Unmut unter den Aktionären aus.

Bei SPS, um beim Beispiel von 2018 zu bleiben, wurde der Bezugspreis auf 74 Franken festgelegt, das lag 15 Prozent unter dem damaligen Kurs. 

Wie können neue Aktien erworben werden?

Die neuen Aktien können nur während eines sehr kurzen Zeitfensters erworben werden, innerhalb der sogenannten Bezugsfrist. Die Depotbank sendet in der Regel kurz vor Beginn der Bezugsfrist den Aktionären ein Schreiben (heute meist online) zu, welches die Details zur Kapitalerhöhung auflistet. Darin wird auch das Vorgehen für den Erwerb neuer Aktien beschrieben. Wer als bestehender Aktionär genau dann in den Ferien oder sonst abwesend ist, hat Pech gehabt und geht leer aus. Die Bezugsrechte werden in diesem Fall von der Hausbank automatisch "bestens" weiterverkauft. Immerhin wird der Verkaufserlös gutgeschrieben, dieser liegt aber in der Regel weit unter dem aktuellen Aktienkurs.

Welche Optionen haben bestehende Aktionäre?

Es gibt bei einer Kapitalerhöhung grundsätzlich drei Optionen für die bestehenden Aktionäre: Die neuen Aktien vollständig zu dem festgelegten Preis beziehen, auf den Bezug verzichten und sämtliche Bezugsrechte verkaufen oder nur einen Teil der neuen Aktien erwerben. Aufgrund des meist hohen Abschlags zum eigentlichen Aktienkurs ist der vollständige Bezug aller Aktienrechte im Normalfall die lukrativste Variante, vor allem aus langfristiger Anlegerperspektive. Es sei denn, die Kapitalisierung der Firma steht weiter auf tönernen Füssen. Dann folgen meist weitere Kapitalerhöhungen.

Wann lohnt sich ein Einstieg für Neuaktionäre?

Wer sich für eine Aktie interessiert, die unmittelbar vor einer Kapitalerhöhung steht, sollte sich dem typischen Kursverlauf bewusst sein: Häufig notiert die Aktie während dem Bezugsfenster tiefer als zuvor. Teilweise setzt sich der Abwärtstrend sogar einige Wochen oder Monate danach weiter fort.

Dazu ein weiteres Beispiel: Mobilezone führte 2018 ebenfalls eine Kapitalerhöhung durch mit einem Bezugsrecht von 15 zu 4. Der Bezugspreis für die neuen Aktien wurde auf 9.50 Franken festgesetzt, was ein Abschlag von 20 Prozent zum Kurs unmittelbar vor Bezugsfrist bedeutete: Bei Beginn der Frist für die Bezugsrechte Mitte März notierte die Mobilezone-Aktie bei 12 Franken. Die Aktie fiel bis Mitte Juli bis auf 9.50 Franken.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Bestehende Aktionäre sollten bei einer Kapitalerhöhung mitmachen, falls das Unternehmen solide aufgestellt ist. Bei Wackelkandidaten besteht die Gefahr von weiteren Kapitalerhöhungen. Neuaktionäre hingegen fahren meist besser, wenn sie nach einer Kapitalerhöhung mit dem Kauf noch eine Weile zuwarten.

(cash)

Dies ist eine aktualisierte Version eines cash-Artikels, der zuerst im September 2018 erschien.