Man hört es immer und überall: Die Schweiz ist ein Land der Mieter. Und tatsächlich besitzen lediglich rund 40 Prozent der Haushalte die vier Wände, in denen sie wohnen. Im internationalen Vergleich ist dies eine äusserst bescheidene Quote: Die europäischen Nachbarländer weisen allesamt höhere Wohneigentumsquoten auf. Dort liegen sie zwischen 50 und 60 Prozent, in Italien sogar über 70 Prozent.  

Dieser niedrige Anteil in der Schweiz überrascht viele Experten, schliesslich sind dank der seit Jahren anhaltenden Tiefzinsphase auch die Hypothekarzinsen auf rekordtiefem Niveau. Selten war es so günstig wie heute, sich sein Eigenheim zu finanzieren. Auch deswegen werden Marktanalysten seit Jahren nicht müde zu betonen, kaufen sei günstiger als mieten. Doch ist es wirklich so einfach?

Ein näherer Blick auf die Vor- und Nachteile zeigt: Die eine richtige Antwort für jedermann gibt es nicht. Für Normalverdiener dreht sich die Frage letzten Endes darum, ob man sein Geld in Immobilien stecken oder lieber breit anlegen will.  

Historisch niedrige Finanzierungskosten

Klar, für den Kauf einer Immobilie gibt es eine Reihe von stichhaltigen Argumenten. Da wären in erster Linie die bereits erwähnten historisch niedrigen Finanzierungskosten. Vor rund zehn Jahren lag der durchschnittliche Hypothekarzins bei knapp 3 Prozent. Heute ist es für Normalverdiener relativ einfach, einen Zins von 1 Prozent oder gar darunter zu erhalten. Mit anderen Worten: Herr und Frau Schweizer können sich heute das Dreifache an Schulden leisten wie vor zehn Jahren.  

Wer im Jahr 2010 beispielsweise 25'000 Franken Zinsaufwand pro Jahr stemmen konnte, konnte damit durchschnittlich eine Verschuldung von rund 833'333 Franken tragen. Mit dem heutigen Hypozins von durchschnittlich einem Prozent werden daraus 2,5 Millionen Franken – mit dem gleichen Zinsaufwand.

Neben weiteren finanziellen Vorteilen, wie etwa dem Schutz vor Mietsteigerungen, kann der Kauf einer Immobilie auch Vorteile psychologischer Natur bringen. Aus reiner Anlegersicht etwa erzwingt der Immobilien-Kauf eine gewisse Disziplin, die beim Aktien- oder ETF-Sparen schnell mal flöten gehen kann. Nämlich dann, wenn das Geld doch konsumiert statt investiert wird.

Steigende Immobilienpreise sprechen für die Miete

Also warum eine Wohnung oder ein Haus mieten? Das grösste Argument für den Immobilienkauf – nämlich die tiefen Zinsen – hat gleichzeitig ein wichtiges Argument gegen einen Kauf geschaffen. Durch die historisch niedrigen Finanzierungskosten sind die Immobilienpreise in den letzten zehn Jahren fast schon in astronomische Höhen geschossen. Dies betrifft insbesondere die Städte. In Zürich reiben sich Kaufwillige die Augen, wenn sie einen Blick auf den Immobilienmarkt werfen.

Dies führt dazu, dass das Kauf-Mietpreis-Verhältnis in Städten immer höher wird. Diese Kennzahl (auch Kaufpreisfaktor genannt) zeigt die Diskrepanz zwischen Eigenheimpreise und Jahresmieten auf. In der Schweiz waren im zweiten Quartal 2020 laut UBS Swiss Real Estate Bubble Index durchschnittlich 33 Jahresmieten nötig, um ein vergleichbares Eigenheim zu erwerben – in Ballungsgebieten ist der Wert noch höher. Mit anderen Worten: Die Eigenheimpreise entkoppeln sich immer weiter von den Mietpreisen. Das spricht vor allem in Grossstädten immer mehr für mieten statt für kaufen.

Wer beispielsweise unbedingt in begehrter Lage wie etwa in Städten wohnen möchte, für den kann sich folgendes finanziell lohnen: In der Stadt zur Miete zu wohnen, das Vermögen (oder Teile des Vermögens) aber dort in eine Immobilie zu investieren, wo dieser Kaufpreisfaktor geringer ist. Der Kaufpreis dieser Immobilie ist durch die Mieteinnahmen schneller gedeckt, als dies in der Stadt der Fall wäre.

Freiheiten in der Anlagestrategie als Mieter

Wenn man den Kauf eines Eigenheims aus Anleger-Perspektive als Investment betrachtet, offenbaren sich weitere Punkte, die für das Mieten sprechen können. Gerade Normalverdiener müssen wissen: Wer grosse Teile oder gar sein komplettes Vermögen in das Eigenheim steckt, geht ein Klumpenrisiko ein. Man setzt mit dem Kauf der Immobilie gewissermassen alles auf eine Karte.

Als Mieter hingegen ist es einfacher, seine Anlagevermögen zu diversifizieren, sprich, sein Geld stückweise in verschiedene Aktien, ETF, Anleihen oder auch Immobilienfonds zu stecken. Das schützt ihn besser, falls in einer Anlageklassen mal eine grössere Korrektur stattfinden sollte. Ausschliesslich in Immobilien zu investieren, ist ein Klumpenrisiko, das zudem eine grosse Hebelwirkung entfalten kann. Das kann allerdings auch von Vorteil sein.

Immobilien: Klumpenrisiko mit Hebeleffekt

Denn: Wer vor zehn Jahren sein gesamtes Erspartes in ein Eigenheim gesteckt hat, kann heute von sich behaupten, alles richtig gemacht zu haben. Hat vor zehn Jahren eine normale Familie sich dazu entschieden, ein Haus für 500'000 Franken zu kaufen, dabei 100'000 Franken Eigenkapital aufzuwenden und sich den Rest von Banken in Form von Krediten zu leihen, war dies letzten Endes ein sehr lohnendes Geschäft. Das Haus dürfte heute nämlich mindestens das zweifache, wenn nicht gar das dreifache wert sein.  

Solch eine Performance mit 100'000 Franken Startkapital wäre mit Aktien kaum möglich gewesen – trotz Börsenhausse.

Doch: Geht dies alles weiter und wird es sich auch die nächsten zehn Jahre in ähnlichem Ausmass finanziell lohnen, all sein Geld in ein Eigenheim zu stecken? Die ernüchternde Antwort: Niemand kann es mit absoluter Sicherheit sagen. Wie sich die Immobilienpreise langfristig entwickeln, vor allem auch regional betrachtet, ist kaum vorherzusagen. Faktoren wie die Zinsentwicklung, Wohn- und Arbeitstrends (Stichwort Home Office) oder die Frage, ob es die Leute irgendwann doch wieder aufs Land zieht, spielen hier eine Rolle.  

Was ist nun besser?

Das Thema "Mieten versus Kaufen" beinhaltet eine extrem vielschichtige Fragestellung, bei der es keine universell gültige Antwort gibt. Vielmehr hängt die richtige Entscheidung von zahlreichen persönlichen Parametern ab, wo sich oft erst im Nachhinein beurteilen lässt, was war richtig, was falsch. Wichtig ist: Das Paradigma "Kaufen lohnt sich immer" muss nicht immer richtig sein. Gerade für Normalverdiener kann sich die Frage letzten Endes darum drehen, welche Strategie man im Umgang mit dem Vermögen verfolgt.