Die Schweizer Banken betonten unablässig, dass die Kunden bei ihnen im Zentrum stehen. Sei es Sergio Ermotti, Tidjane Thiam, Boris Collardi oder ein Chef einer Kantonalbank, der es sagt – der Satz "Wir orientieren uns auf die Bedürfnisse der Kunden" könnte von jedem von ihnen stammen. Egal ob Grossbank, globaler Vermögensverwalter oder kleinerer Anbieter: Der Begriff Kundenzentriertheit wird nicht nur als Marketing-Instrument verwendet, sondern er ist auch integraler Bestandteil der formulierten Konzernstrategien.

Doch gerade bei den Vermögensverwaltungs-Kunden kommen diese Slogans oft nicht an. Das zeigt eine neue Studie, die im Rahmen einer Masterarbeit an der Hochschule Luzern verfasst wurde und für die 382 Teilnehmer ihre Meinungen einbrachten. Befragt nach dem gebotenen Service einer Bank fallen diese Klienten, die für die Verwaltung ihres Geldes mehr bezahlen als ein normaler Kontoinhaber, in etwa drei gleich grosse Gruppen.

35 Prozent sagten in der Umfrage von Studienverfasser Pascal Bersier, der die Masterarbeit zur Zukunft des Private Bankings in der Schweiz geschrieben hat, dass ihre Bank vor allem Aufträge abwickelt. 38 Prozent sagen, dass sie von der Bank eine Zweitmeinung oder eine Beratung bekommen. 27 Prozent gaben an, dass ihr Geldinstitut eine partnerschaftliche, umfassende Beratung oder gar eine Rundumbetreuung bietet.

Selbstbild der Banken

Mit diesen Ergebnissen kontrastiert das Selbstbild der Banken deutlich. Führungskräfte von Banken und Bankkundenberater antworteten zu den selben Fragen und liessen damit erkennen, dass ihre Wahrnehmung zum Teil massiv von jener der Kunden abweicht.

Ein deutlicher Unterscheid ist beispielsweise, dass bei den Bank-Führungskräften sagten lediglich 3 Prozent sagte, dass ihre Bank effektiv nur Aufträge abwickle. 6 Prozent sagten, dass die Bank dem Kunden eine Zweitmeinung oder eine Beratung zukommen lasse. Für neun von zehn Bankmanagern ist hingegen klar, dass die Bank das anbietet, was in der Regel in der Broschüre steht, also die umfassende Beratung und Betreuung des Kunden.

Die Kundenberater, die in direktem Kontakt mit den vermögenden Privatkunden stehen, lieferten ähnliche Eindrücke wie die Chefs. 68 Prozent sind der Ansicht, dass im Zentrum des Verhältnisses Kunde-Kundenberater-Bank eine umfassende Betreuung steht. Für 30 Prozent dreht es sich um schlichte Beratung, und nur 3 Prozent sehen darin im wesentlichen ein Ausführen und Abwickeln von Aufträgen - wo ein Drittel ihrer eigenen Kunden sagte, dass genau dies im Zentrum des Verhältnisses stehe.

Kundenzufriedenheit leidet

Einig sind sich Kunden, Berater und Bankenlenker allerdings darin, dass die Kundenbedürfnisse wohl steigen werden. Doch ansosten sprechen Banken und Kunden nicht dieselbe Sprache, und als Folge davon leidet die Zufriedenheit der Kunden.

Während drei Viertel der Banken-Führungskräfte und fast 70 Prozent der Bankberater das Angebot für kundenzentriert halten, erklärten 14 Prozent der Bankkunden halten die Kundenorientiertheit für inexistent. Die Wahrnehmung auf der anderen Seite des Bankschalters offensichtlich wirklich eine ganz andere. Für 58 Prozent, also die Mehrheit der Bankkunden, engagieren sich die Banken nur in tiefen oder mittelgrossem Mass für den Kunden. Als hoch oder zental stufen 31 Prozent der Klienten die Kundenzentriertheit ein.

Kosten als wenig gerechtfertigt gesehen

Entsprechend der schlechten Noten der Kunden ist die Bereitschaft, für die Vermögensverwaltung zu bezahlen, nicht ausgeprägt. 22 Prozent der Kunden wollen der Bank für ihre Dienstleistung nicht mehr als 0,5 Prozent des verwalteten Vermögens berappen, für weitere 33 Prozent dürfen es maximal 0,75 Prozent sein. Nur 22 Prozent will mehr als 1,25 Prozent in Rechung gestellt bekommen. Für die reine Anlageberatung will mehr als die Hälfte der Bankkunden nur mit höchstens 0,5 Prozent des verwalteten Vermögens taxiert werden.

Zusätzliche Gebühren würden Kunden in erster Linie für Steuerberatung sowie Fragen des Güter- und des Erbrechts ausrichten: Mehr als 60 Prozent der Bankkunden sagten, dass sie dazu bereit seien. Dies wird auch von den Bank-Führungskräften und den Bankberatern so wahrgenommen.

Einen Mehrbetrag für die Bereiche Anlageberatung, Vermögensverwaltung oder Finanzplanung auszugeben ist hingegen für weniger als ein Viertel der Kunden ein Thema. Dies nehmen die Banken wiederum ganz anders wahr: Für Führungskräfte und Kundenberater wäre es mehrheitlich gerechtfertigt, von den Kunden mehr Gebühren insbesondere für die Finanzplanung, also auch eine Beratung in Fragen der Altersvorsorge, zu verlangen.

Banken müssen fokussieren

Als Lösung für die Schweizer Bankenwelt schlägt Studienautor Bersier vor, dass die Banken ihr Kundengeschäft stärker fokussieren. Ausser den beiden Grossbanken, die alle Angebote "in house" haben, sollten sich die Anbieter auf Kernkompetenzen beschränken und Zusatzleistungen wie Finanzplanung, Güter- und Erbrecht, Steuern oder Versicherungen über Netzwerke mit externen Experten anbieten. Dies werde den Kunden besser das Gefühl geben, in allen Bereichen ihrer Vermögensverwaltung und -planung gut betreut zu sein, so die Studie.

Die Berührungspunkte mit dem Kunden müssten dafür individualisiert werden, und eine stärke Digitalisierung müsste Einzug halten. Standardisierte Prozesse hätten laut Bersier den Vorteil, dass Fehler vermieden und dem Kunden ein effizienteres Banking ermöglicht würde.

Ein solches Umdenken würde aber auch bedeuten, dass sich die immer noch sehr hierarchieorientierten Arbeitskulturen der Banken ändern müssten. Dies sieht der Studienverfasser als die schwierigste Aufgabe der Banken, er hält den Zugewinn an Qualität durch ein mehr netzwerkgetriebenes System, in dem Positionen und Rangordnungen in den Hintergrund treten, für beträchtlich.