Die neue Bundesregierung aus Union und SPD hat nach vier Wochen im Amt ein erstes milliardenschweres Steuerpaket zur Entlastung der Wirtschaft beschlossen. Das Kabinett gab dafür am Mittwoch grünes Licht. «Wir bringen Deutschland wieder auf Wachstumskurs», sagte Finanzminister und SPD-Chef Lars Klingbeil in Berlin.
Unternehmen sollen in den Jahren 2025 bis 2029 um rund 46 Milliarden Euro entlastet werden. Etwa in dieser Höhe müssen Bund, Länder und Kommunen geringere Steuereinnahmen einkalkulieren, was noch zu Widerstand im Bundesrat führen kann. Im Bundestag ist die erste Beratung über das Paket bereits am Donnerstag vorgesehen. Geht es schnell, könnten bis zur Sommerpause alle nötigen Beschlüsse im Parlament erfolgen.
Der Gesetzesentwurf beinhaltet vor allem sogenannte Superabschreibungen von je 30 Prozent für drei Jahre auf Investitionen. Vorgesehen ist auch bereits die dann ab 2028 beginnende Absenkung der Körperschaftsteuer um je einen Prozentpunkt für fünf Jahre. Zudem gibt es einen «Investitionsbooster» für Elektromobilität, bei dem nicht nur die Preisobergrenze von 75'000 auf 100'000 Euro pro Wagen erhöht wird, sondern auch eine 75-prozentige Abschreibemöglichkeit im ersten Jahr der Anschaffung vorgesehen ist. Erhöht wird zudem die steuerliche Forschungsförderung.
«Damit geben wir der Wirtschaft die dringend notwendige Planungssicherheit und schaffen starke Investitionsanreize», sagte Klingbeil zu seinem ersten Gesetzentwurf. Es könnten Arbeitsplätze gesichert und neue Jobs geschaffen werden. Auch der Standort werde wettbewerbsfähiger. Die Sonderabschreibungen würden allen Unternehmen gleichermassen und unkompliziert helfen. Ab 2032 betrage die Gesamtsteuerbelastung für Unternehmen rund 25 statt jetzt 30 Prozent.
Angesprochen auf die Finanzprobleme einiger Kommunen sagte Klingbeil, es werde konstruktive Gespräche mit den Ländern geben. Am Ende werde es eine gute Lösung geben. Im Grundsatz gebe es keinen Dissens. Länder und Kommunen fordern einen Ausgleich für steuerliche Mindereinnahmen. Kritiker warnen davor, dass sonst in den Gemeinden schmerzhaft gespart werden müsste.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) rechnet einem Regierungssprecher zufolge fest mit einer Zustimmung des Bundesrats zu dem Steuerpaket. «Uns sind die Sorgen der Länder und Kommunen durchaus bewusst.» Allerdings handele sich um eine gesamtstaatliche Aufgabe. Wachstum generiere dann auch neue Steuereinnahmen. «Von diesen Steuereinnahmen profitieren gleichermassen Bund, Länder und Gemeinden», so der Regierungssprecher.
Weitere Hilfen für Wirtschaft sind geplant
Deutschland steckt seit zwei Jahren in der Rezession. Für dieses Jahr sagen viele Experten bestenfalls eine Stagnation voraus. Merz will bis zum Sommer die Stimmung in der Wirtschaft drehen. Dazu sollen die jetzigen Entlastungen beitragen.
Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) kündigte weitere Entlastungen an - bei den Energiekosten, beim Bürokratieabbau und durch schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren. Klingbeil will zudem Ende Juni Details zu den Haushaltsentwürfen für 2025 und 2026 vorlegen. Dann sollen auch die gesetzlichen Grundlagen für den 500 Milliarden Euro schweren Sondertopf zur Modernisierung der Infrastruktur auf den Weg gebracht werden. Die Bauindustrie appellierte in einem Reuters vorliegenden Brief an Klingbeil, schnell wichtige Weichenstellungen für das Sondervermögen zu treffen. «Es kommt auch auf Effizienz und Geschwindigkeit bei der Projektumsetzung an.»
Kommunen unter Druck
Tobias Hentze, Steuerexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln, sprach von einem ermutigenden Zeichen, dass die Regierung ihr Versprechen halte. «Degressive Abschreibungen wirken, weil sie gezielte Anreize für frühere und höhere Investitionen setzen. Aber: Es bleibt ein befristeter Effekt.» Derzeit liege die Steuerbelastung auf Unternehmensgewinne etwa sechs Prozentpunkte über dem Schnitt der Industriestaatengruppe OECD und neun Punkte über dem EU-Schnitt.
«Die für das Jahr 2028 geplante Senkung der Körperschaftsteuer sollte daher früher kommen.» Die Kommunen müssten von 2025 bis 2028 ein Drittel der Entlastung schultern, rund elf Milliarden Euro. Der kommunale Anteil an den Steuereinnahmen liege aber nur bei 15 Prozent. Die überproportionale Belastung werde viele Kommunen weiter ins Minus treiben.
Die Wirtschaft lobte die Regierung. Der Chemieverband sprach von einem Signal mit Substanz. Die Autolobby VDA begrüsste die Pläne zum Ausbau der Elektromobilität. «Die Koalitionäre müssen jetzt zeitnah noch die Verlängerung der aktuell geltenden Kfz-Steuerbefreiung für E-Autos bis 2035 auf den Weg bringen, auf die sie sich im Koalitionsvertrag verständigt haben.» Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält die verbesserten Abschreibungsmöglichkeiten für richtig, wandte sich aber gegen allgemeine Steuersenkungen nach dem Prinzip Giesskanne.
(Reuters)