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Als ich am Montag der Frage nachging, wann bei uns am Schweizer Aktienmarkt denn nun endlich Jagd auf zurückgebliebene Aktien gemacht wird, war mir nicht bewusst, dass es in der Folge einige sogar auf die Liste der Wochengewinner schaffen würden.

Insbesondere jene von Lonza wurden nach zehn langen Monaten wiederentdeckt und gleich von zwei hochkarätigen Heraufstufungen aus dem angelsächsischen Raum begleitet. Impulse gingen dabei von der überraschenden Zulassung des von Biogen entwickelten Alzheimerwirkstoffs Aducanumab durch die amerikanische Gesundheitsbehörde aus.

Die wohl noch grössere Überraschung ist aber, dass auch die Genussscheine von Roche auf der Liste der Wochengewinner zu finden sind. Der Grund für das Aufbäumen ist derselbe wie bei den Aktien von Lonza: Mit Gantenerumab bastelt Roche seit Jahren an einem Medikament der gleichen Wirkstoffklasse. Man braucht kein Branchenkenner zu sein, um erahnen zu können, dass die regulatorischen Hürden seit dieser Woche auch für Gantenerumab etwas tiefer gelegt sind.

Wie mir aus Londoner Handelsräumen berichtet wird, erwischten die Kursgewinne bei Valoren wie jenen von Nestlé, Roche und Novartis nicht wenige angelsächsische Grossinvestoren "contre pied". Einige wenige sahen dieses Aufbäumen jedoch kommen, wie ein Blick auf den erstarkten Franken verrät.

Ich kommentierte die jüngste Frankenstärke gestern Donnerstag wie folgt:

Dass einige Grossinvestoren dem Aufbäumen der Schwergewichte aus dem Swiss Market Index (SMI) noch immer nicht so recht trauen, kommt übrigens nicht von ungefähr. Schliesslich stellten sich solche Kursavancen in den vergangenen 12 bis 18 Monaten rückblickend stets als blosses Strohfeuer heraus.

Sollten die Kurse bei Nestlé, Roche und Novartis weiter steigen, stiege auch der Leidensdruck der nicht oder nur unzureichend engagierten Grossinvestoren. Interessant wird es dann, wenn der Leidensdruck für letztere ins Unermessliche steigt und viele kapitulieren.

Während man in New York sowie in einigen unserer Nachbarländer eine Börse der Extreme vorfindet, ist so viel Bodenständigkeit wie sie die drei SMI-Schwergewichte verkörpern schon beinahe wohltuend. Denn das fragwürdige Massenphänomen, welches Aktien wie jenen von GameStop oder AMC Entertainment ein fulminantes Kursfeuerwerk bescherte, hat nun auch das europäische Festland erreicht. Nicht nur bei den Valoren von Windeln.de wurde in den letzten Tagen regelrecht Jagd auf Leerverkäufer gemacht.

Kursentwicklung der Aktien von Windeln.de seit Anfang Juni (Quelle: www.cash.ch)

Und wenn wir schon beim Thema GameStop sind, dann sei erwähnt, dass der Videospielehändler das jüngste Kursfeuerwerk nutzt, um weitere 5 Millionen Aktien auszugeben. Die mit der Platzierung beauftragte Investmentbank Jefferies erhält allerdings "nur" noch eine Kommission in Höhe von 1,5 Prozent. Bei der letzten Kapitalerhöhungsrunde von vor einer Woche kassierten die Citigroup und B Riley noch satte 2,5 Prozent vom Erlös der von ihnen über das Telefon verhökerten Aktien.

Ich schrieb dazu letzten Freitag:

Interessant ist übrigens, dass GameStop oder AMC Entertainment Ende Monat auf Basis der zuletzt bezahlten Kursen in den Russell 3000 Index aufsteigen könnten. Damit würden diese Zocker-Aktien quasi über Nacht salonfähig. Indexorientierte Marktakteure wären dann sogar gezwungen, Titel der beiden Sorgenkinder zu erwerben – egal zu welchem Kurs.

Wer jetzt noch auf den rollenden Zug aufspringen will, der sei gewarnt. Schon während dem ersten Aufbäumen im Februar mahnte ich:

...und wenige Tage später...

Wenden wir uns nun aber wieder dem hiesigen Handelsgeschehen zu. Und da springt Richemont ins Auge. Auch diese Woche hagelt es wieder kräftige Kurszielerhöhungen für diese Luxusgüteraktien. Analyst Luca Solca von Bernstein Research traut letzteren neuerdings gar einen Vorstoss auf 137 (zuvor 116) Franken zu. Unnötig zu erwähnen, dass er die Aktien weiterhin mit "Outperform" zum Kauf anpreist. Und das, obwohl Richemont die diesjährige Gewinnerliste bei den 20 Unternehmen aus dem SMI mit einem beeindruckenden Plus von 44 Prozent unangefochten anführt.

Mit wirklich neuen Erkenntnissen wartet Solca bei der Begründung für das höhere Kursziel übrigens nicht auf. "Buy the winners", lautet das Motto der Stunde.

Momentan vergeht kaum ein Tag, an dem in der Financial Times kein negativer Artikel über die Credit Suisse nachzulesen ist. Es ist fast, als habe sich das renommierte Wirtschaftsblatt an der kleineren der beiden Schweizer Grossbanken festgebissen. Wie der neusten Ausgabe entnommen werden kann, hat die Credit Suisse nach den milliardenschweren Verlusten aus dem Kollaps des Investmentvehikels Archegos im sogenannten Prime Brokerage an Boden verloren.

Eine klare Sache: Die Aktien der Credit Suisse (rot) im 12-Monats-Vergleich mit jenen von Richemont (grün) (Quelle: www.cash.ch)

Meines Erachtens ist das nicht weiter schlimm, steht der Ergebnisbeitrag aus diesem Geschäftszweig doch sowieso in keinem vernünftigen Verhältnis zu den Risiken.

Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg diese Woche meldete, versucht die Grossbank ihre besten Leute mit finanziellen Zustüpfen zu halten – und das möglichst diskret. Des Investmentbankers Wappentier ist und bleibt die Raupe Nimmersatt...

Lassen wir die Börse für einmal die Börse sein und konzentrieren wir uns auf die Fussball-Europameisterschaft. Schon in wenigen Stunden ist Anpfiff, wenn die Mannschaft aus Italien gegen diejenige der Türkei auf dem Spielfeld steht. Wie sich die "Squadra Azzurra" nächste Woche in den Gruppenspielen schlägt, wissen wir spätestens am Freitag, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.