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Unter Pharmaherstellern gilt der amerikanische Medikamentenmarkt als der lukrativste der Welt - und das nicht ohne Grund. Denn eigentlich sind die staatlich subventionierten Programme Medicare und Medicaid ja eine feine Sache. Allerdings beschnitt man die beiden Programme noch vor deren Einführung um die Preisgestaltungsmacht. Die Medikamentenpreise auszuhandeln, ist schlichtweg nicht vorgesehen.

Folglich herrscht schon seit Jahren so etwas wie Goldgräberstimmung. Nicht wenige Unternehmen aus der Pharma- und Biotechnologieindustrie, ich nenne an dieser Stelle ganz bewusst keine Namen, haben es sich in den letzten Jahren zum Geschäftsmodell gemacht, bei ihren Medikamenten kräftig an der Preisschraube zu drehen. Stummer Zeuge ist der Höhenflug des Nasdaq Biotechnology Index. Das viel beachtete Branchenbarometer erfuhr alleine zwischen Frühjahr 2011 und Sommer 2015 eine Vervierfachung.

Nur weil einige Pharmahersteller dieses Spiel auf die Spitze getrieben haben, wurde endlich auch die Politik in Washington auf diese Missstände aufmerksam. Für die demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton kommt die Diskussion rund um ausufernde Medikamentenpreise gerade recht. Sie schlachtet diese gnadenlos als Wahlkampfthema aus. Auch wenn Clinton noch nicht gewählt ist, so werden ihr zumindest gute Chancen eingeräumt, die erste Präsidentin in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden.

Die Zeche müsste dann die ganze Branche bezahlen, auch Novartis. Schon heute bläst dem Unternehmen in Übersee ein eiskalter Wind ins Gesicht. Die amerikanische Tagespresse ist geradezu berüchtigt dafür, mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Dieses Klischee bedient in diesen Tagen die "Washington Post". Um die Diskussion rund um ausufernde Medikamentenpreise weiter anzuheizen, nimmt sich das Blatt dem Leukämiemedikament Glivec an. Bei seiner Markteinführung im Jahr 2001 habe ein Jahresvorrat des in Übersee als Gleevec vertriebenen Präparats den Patienten gemäss Listenpreis 26400 Dollar gekostet, so schreibt der Autor. Schon damals musste sich Novartis anhören, dass dieser Preis überrissen sei.

Wie im Artikel nachzulesen ist, kostet das Leukämiemedikament heute über 120000 Dollar im Jahr. Und das, obschon mittlerweile zahlreiche Alternativtherapien wie beispielsweise Sprycel erhältlich sind.

Wer beim Veröffentlichungszeitpunkt des Artikels in der "Washington Post" an einen Zufall glaubt, der irrt vermutlich. Schliesslich steht in Übersee das erste Generikum für Gleevec unmittelbar vor seiner Markteinführung. Dieses wird den Patienten voraussichtlich 30 bis 50 Prozent weniger als das Originalpräparat kosten. Nach Ablauf der sechsmonatigen Exklusivfrist dürften die Preise sogar noch stärker unter Druck geraten.

Der drohenden Umsatzerosion bei Gleevec sind sich die Banken und ihre Analysten durchaus bewusst. Kaum ein Bewertungsmodell für die Aktien von Novartis, in welchem diesem Umstand keine Beachtung geschenkt wird.

Doch obschon die wiedererwachte Kontroverse rund um die aus dem Ruder laufenden Medikamentenpreise zumindest auf kurze Sicht keine finanziellen Folgen für den Gesundheitskonzern aus Basel hat, schwebt sie wie ein Damoklesschwert über eben diesem. Ich traue Hillary Clinton jedenfalls zu, auf Worte auch Taten folgen lassen, sollte sie die nächste amerikanische Präsidentin werden.

Da Novartis und der Basler Rivale Roche beim Swiss Market Index (SMI) für knapp 40 Prozent der Gesamtkapitalisierung verantwortlich sind, hätten staatliche Eingriffe im lukrativen amerikanischen Medikamentenmarkt Folgen für die gesamte hiesige Börse.

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Schon seit Tagen klettern die Aktien von Syngenta langsam aber stetig in Richtung der Parität der vorliegenden Barofferte von umgerechnet 459 Franken. Darüber hinaus gewährt die staatliche China National Chemical Corporation, kurz ChemChina, den Anteilseigner die reguläre Dividende von 11 Franken sowie eine Sonderdividende von weiteren 5 Franken je Aktie.

Erst vor drei Wochen berichtete der für Bernstein Research tätige Chemieanalyst nach Podiumsdiskussionen mit versierten Anwälten von einem zunehmenden Interesse grosser amerikanischer Hedgefonds und anderer Arbitrageure an den Papieren von Syngenta (siehe Kolumne vom 18. Februar).

In Erwartung, dass die Übernahme durch ChemChina zustande kommt, empfiehlt der Experte die Aktien nicht erst seit damals mit "Outperform" und einem Kursziel von 470 Franken zum Kauf.

Offizielle Statistiken lassen neuerdings jedoch Zweifel am angeblichen Interesse seitens amerikanischer Hedgefonds wachwerden. Denn angeblich laufen an der Börse in New York wieder vermehrt Wetten gegen die dort gehandelten Valoren von Syngenta. Wie die Statistiken verraten, hat sich die Anzahl leerverkaufter Aktien alleine in der zweiten Hälfte Februar mehr als verdoppelt. Das überrascht, wird Bernstein Research doch schon seit Jahrzehnten einen guten Draht in die amerikanische Hedgefonds Industrie nachgesagt.

Es macht ganz den Anschein, als werde die Geduld der nicht gerade erfolgsverwöhnten Syngenta-Aktionäre ein weiteres Mal auf die Probe gestellt.
 

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