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"Sell the rumors, buy the facts" heisst ins Deutsche übersetzt in etwa soviel wie "Verkaufe aufgrund von Erwartungen und steige aufgrund der Fakten wieder ein".

Passender als mit diesem Börsenphänomen liesse sich der gestrige Tag kaum umschreiben. Denn obschon die Wirtschaftsnachrichten aus China durchs Band schwächer als erwartet ausgefallen waren, verbuchten die Aktienmärkte rund um den Globus deutliche Gewinne.

Angeführt wurde die Gegenbewegung ausgerechnet von den Aktien, welche zuvor aus Angst vor einer harten Landung der chinesischen Wirtschaft abgestraft worden waren - pourvu que ça dure.

Bei den Banken und ihren Anlagestrategen gibt man sich überraschend kleinlaut, was eine gehörige Portion Ratlosigkeit vermuten lässt.

Eine klare Meinung zu den Aktien erhalte ich in diesen Tagen nur gerade von Merrill Lynch. Besser gesagt: Eigentlich sind es sogar deren zwei.

"Wenn es wie ein Bär dahergelaufen kommt und wie einer brummt, dann ist es vermutlich auch ein Bär", schreibt der Chefstratege der amerikanischen Grossbank. Zuerst bei den Biotechnologiewerten, stellt er mittlerweile auch bei den Modeaktien von Facebook, Amazon.com, Netflix und Google Ermüdungserscheinungen fest.

Nach einer Vortragsreihe an der amerikanischen Ostküste fällt sein Urteil recht ernüchternd aus: Wie der Experte schreibt, reden sich die Kunden die Gefahr einer Rezession oder die einer Börsenbaisse zwar nicht mehr länger schön. Allerdings fehle es ihnen weiterhin an der Einsicht, dass sich die Wirtschaft bereits in einer zyklischen Rezession und die Börse in einer Baisse befinden.

Eines muss man dem Chefstrategen wirklich zugute halten: Er rät seiner Anlagekundschaft schon seit Wochen zu einer höheren Barmittelquote sowie zum Kauf von Volatilitätszertifikaten. Seine Schlüsselbotschaft: Anleger sollten Erholungsbewegungen zum Verkauf von Aktien nutzen.

Anders die für die quantitative Strategieabteilung tätige Kollegin lag er damit goldrichtig. Auf kurze Sicht hält zwar auch sie eine gewisse Zurückhaltung für durchaus angebracht. Von Panikverkäufen rät die Strategin dennoch entschieden ab.

Die Börse in New York wähnt die Expertin nur dann in ernsthafter Gefahr, wenn die amerikanische Wirtschaft in eine Rezession fallen sollte. Schliesslich seien 10 der 13 seit 1928 beobachteten Aktienbaissen von einer solchen begleitet worden. Und die übrigen drei Baissen seien nur von kurzer Dauer gewesen, so schreibt sie in einem mir vorliegenden Kommentar.

Für die Strategin steht deshalb fest: Den Aktienmärkten stehen die Höchststände der zyklischen Aufwärtsbewegung der letzten Jahre erst noch bevor.

Bei einer Bank der Grösse von Merrill Lynch, oder besser gesagt des Kalibers des Mutterhauses Bank of America, sind voneinander abweichende Meinungen zu gewissen Themen oder Anlageklassen nicht ungewöhnlich. Die amerikanische Grossbank läuft mit ihren zwei unterschiedlichen Einschätzungen der Aktienmärkte allerdings Gefahr, bei der Kundschaft Verwirrung wenn nicht gar Verunsicherung hervorzurufen. Das kann und darf nicht gewollt sein.

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Schon seit Wochen präsentiert sich den Aktionären von Sulzer ein zermürbendes Bild: Die Aktien des einstigen Vorzeigeunternehmens aus Winterthur fallen und fallen.

Alleine seit Anfang Dezember beläuft sich das Minus mittlerweile auf mehr als 16 Prozent. Der Grund: Der schwache Ölpreis drückt auf die Auftragslage – und das längst nicht mehr nur im Kerngeschäft mit Pumpen.

In einem Interview liess Sulzer-Chef Peter Löscher gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" durchblicken, dass er das Unternehmen "zu neuer Grösse führen" will. Selbst wenn das ein Zusammenschluss mit einem Wettbewerber bedeute, so lautete der Tenor.

Für gewöhnlich sind solche Aussagen der Stoff, aus dem Anlegerträume gemacht sind. Als Sulzer im September vor zwei Jahren Gespräche mit der amerikanischen Dresser-Rand über einen Zusammenschluss einräumte, sprangen die Aktien spontan um 9 Prozent nach oben.

Allerdings wurden die Aktionäre ziemlich schnell wieder auf den harten Boden der Tatsachen zurückgeholt, als der finanzstarke deutsche Mischkonzern Siemens das Rennen um Dresser-Rand zu seinen Gunsten entschied.

Ein gebranntes Kind scheut das Feuer, so sagt man. Dennoch gibt die überraschend unterkühlte Reaktion der Aktien der letzten Tage Rätsel auf. Womöglich wird die Geduld der nicht gerade erfolgsverwöhnten Aktionäre im Hinblick auf die Jahresergebnispräsentation vom 25. Februar einmal mehr auf eine harte Probe gestellt. Wer weiss: Vielleicht wartet Sulzer ja endlich mit dem herbeiersehnten Aktienrückkaufprogramm auf.
 

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