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Binnen zweier Wochen wurden die Kursgewinne am Schweizer Aktienmarkt nahezu vollständig ausradiert. Die Geschwindigkeit und das Ausmass des Rückschlags werfen die Frage auf, ob es sich um eine blosse Korrektur oder gar um den Beginn eines grundlegenden Stimmungsumschwungs handelt.

Am Donnerstag und Freitag konnte sich unser Heimmarkt zwar fangen und zu einer Gegenbewegung ansetzen. Die stark angeschwollenen Handelsaktivitäten zeugen von einem erbitterten aber willkommenen Kampf zwischen Haussiers und Baissiers. Allerdings wäre es etwas gar voreilig, jetzt schon Entwarnung zu geben. Noch muss sich herausstellen, ob es sich bei der Gegenbewegung nicht bloss um ein Strohfeuer handelt.

Von seinen Tiefstständen vom März 2009 aus betrachtet, hat der Swiss Performance Index noch immer um stattliche 126 Prozent über dem Tiefstand vom März 2009. In dieser Zeit erwies sich jeglicher Rückschlag als günstige Kaufgelegenheit. Und das obschon die Unternehmensgewinne hierzulande schon seit Jahren bestenfalls stagnieren.

Den ungebrochen zuversichtlichen Aktienstrategen vieler Banken sei dennoch verziehen. Sie haben sich über die letzten Jahre schlichtweg daran gewöhnt, in Rückschläge hinein zur Besonnenheit zu mahnen.

Die notwendigen Argumente liefern ihnen die Zentralbanken führender Wirtschaftsnationen. Auch in diesen Tagen wieder, als gleich mehrere Offenmarktausschuss-Mitglieder der US-Notenbank lauthals forderten, die Pläne für eine Leitzinserhöhung ab Mitte nächsten Jahres vorläufig wieder in die Schublade zu legen. Ihre Befürchtung: Die solide heimische Wirtschaft könnte aufgrund der Probleme in anderen Weltregionen unerwartet Schaden nehmen. Und auch die Kollegen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) stehen angeblich unmittelbar davor, zu intervenieren.

Deshalb überrascht es nicht, dass am Freitag gleich mehrere vom jüngsten Rückschlag auf dem falschen Fuss erwischten Aktienstrategen mit verteidigenden Kommentaren an die Öffentlichkeit gelangten.

Bei der Credit Suisse wird vor übertriebenem Pessimismus gewarnt. Die Nettoengagements bei den Futures auf den amerikanischen S&P-500-Index seien auf den tiefsten Stand seit drei Jahren gefallen, genauso wie das Verhältnis von Aktienkäufen und –verkäufen seitens amerikanischer Geschäftsleitungsmitglieder und Verwaltungsräte. Darüber hinaus wachse die Geldmenge M1 rund um den Globus mit 4,5 Prozent noch immer stärker als das nominelle Bruttoinlandprodukt. Die dadurch entstehende Überschussliquidität spreche ebenfalls für Aktien.

Ähnlich liest sich die Strategiestudie aus dem Hause Barclays Capital. Darin räumen die Verfasser ein, die fundamentalen Rahmenbedingungen überschätzt zu haben. Letztere hätten sich allerdings nur geringfügig zum Schlechteren entwickelt, weshalb der Rückschlag an den europäischen Aktienmärkten als übertrieben bezeichnet wird. Den Experten zufolge weisen die um 12 Monate vorauseilenden Konsensschätzungen für die Geschäftsentwicklung heimischer Unternehmen zum ersten Mal seit drei Jahren positive Vorzeichen auf.

Am aggressivsten sind allerdings die Aktienstrategen der Citigroup. Der Rückschlag von 9 Prozent beim Weltaktienindex decke sich mit dem Durchschnitt der seit 1970 beobachteten Korrekturen. Dieser sei deshalb nicht aussergewöhnlich, so die Experten. Auf Basis der bankeigenen Schätzungen für die zukünftige Entwicklung der Unternehmensgewinne und der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seien die Wachstumsängste voreilig.

Die Amerikaner trauen dem Weltaktienindex bis Ende nächsten Jahres einen Anstieg von nicht weniger als 21 Prozent zu. In der Folge raten sie der eigenen Anlagekundschaft bei europäischen Aktien zum Ausbau. Ihrer Meinung nach bieten sich die Finanzwerte sowie Aktien von konjunkturabhängigen Unternehmen nach dem Rückschlag geradezu zum Einstieg an.

Die von mir zitierten Bankinstitute haben eines gemeinsam: Alle drei hatten nach der letzten Leitzinsreduktion durch die EZB aggressive Kaufempfehlungen für europäische Aktien ausgesprochen und damit kräftig danebengehauen.

Fakt ist, dass die wichtigsten Aktienindizes in den USA und Europa ihren mehrjährigen Aufwärtstrend verletzt haben und angeschlagen sind, zumindest was die charttechnische Ausgangslange anbetrifft. Fakt ist auch, dass die strukturell bedingten Probleme in Europa alles andere als gelöst sind. Die Staatsverschuldung läuft weiter aus dem Ruder und hat in den meisten Ländern längst ein neues Rekordhoch erreicht. Dasselbe gilt für die notleidenden Kredite italienischer Banken. Vermutlich zogen Anleger nicht zuletzt deshalb in den Monaten August und September Kapital im Umfang von 67 Milliarden Euro aus dem südeuropäischen Land ab.

Dennoch werden die von Europa ausgehenden Konjunkturängste, welche zum jüngsten Rückschlag geführt haben, von Aktienstrategen nicht wirklich ernstgenommen und sogar belächelt. Dass es sich dabei um eine gefährliche Mischung aus Zweckoptimismus und falschen Erwartungen an die Adresse der führenden Zentralbanken handelt, halte ich für sehr wahrscheinlich.

Ich rate deshalb dazu, in technisch bedingte Gegenbewegungen wie jene vom Freitag hinein, selektiv Gewinne mitzunehmen. Alleine schon die ungebrochene Zuversicht der Auguren spricht dafür, dass die jüngste Korrektur noch nicht ausgestanden ist.