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Während man in Frankfurt die in letzter Minute doch noch geglückte Rettung der Lufthansa feiert und in München die Scherben der Wirecard-Pleite zusammenkehrt, gehen die Neuigkeiten aus der Schweizer Unternehmenslandschaft im medialen Hintergrundrauschen unter.

Nicht nur für mediales Hintergrundrauschen, sondern für lautes mediales Getöse sorgte Donald Trump. Der amerikanische Präsident schwang in den letzten Tagen einmal mehr die Strafzollkeule. Dabei bekam die chinesische Zentralregierung in Peking genauso ihr Fett weg wie die europäische Politik. So kursiert neuerdings eine 20 Namen starke Liste mit chinesischen Unternehmen, welchen Verbindungen zum chinesischen Militär nachgesagt werden – darunter etwa der Telekommunikationsausrüster Huawei oder der übermächtige Stadler-Rail-Rivale China Railway Construction Corporation, kurz CRCC.

Am gestrigen Donnerstag kommentierte ich die Liste wie folgt:

Es riecht förmlich nach einem Boykott weit über die Landesgrenzen der Vereinigten Staaten hinaus. Und ich wäre nicht überrascht, wenn die amerikanische Regierung einen solchen auch in Europa gegen die aufgelisteten Unternehmen erzwingen würde.

Apropos Europa: Der Politik auf dem alten Kontinent droht Trump mit Strafzöllen auf Importen mit einem Volumen in Höhe von gut drei Milliarden Dollar. Wie zu hören ist, träfen diese Strafzölle selbst die Luxusgüterindustrie.

Neben der Angst vor einer zweiten Pandemiewelle gelten die Vorbehalte deshalb vor allem einer erneuten Eskalation im Handelsstreit zwischen den Vereinigten Staaten und dem Rest der Welt. Es ist, als wolle Trump mit seinem lauten Gepolter von seiner unrühmlichen Rolle in der Pandemiebekämpfung ablenken. Folglich werden uns die Spannungen zwischen den verschiedenen Wirtschaftssupermächten wohl noch eine ganze Weile begleiten.

Letzten Freitag schrieb ich, dass die Karten jeweils um den grossen Derivatverfall herum neu gemischt würden. Für gewöhnlich zeichnet sich schon in den Tagen nach dem Verfall ab, in welche Richtung es an den Aktienmärkten gehen könnte. Allerdings muss ich eingestehen: Diesmal bin ich selbst eine Woche nach dem "dreifachen Hexensabbat" noch immer keinen Deut schlauer.

Am einen Tag sind die defensiven Qualitäten von Roche, Lonza oder Givaudan gefragt – nur um am nächsten Tag wieder Julius Bär, LafargeHolcim und Co. Platz zu machen. Dabei sind selbst prozentual zweistellige Kursausschläge auf die eine oder andere Seite keine Seltenheit.

So gesehen diese Woche bei Dufry. Als der angezählte Reisedetailhandelskonzern am frühen Mittwochmorgen ein Restrukturierungsprogramm ankündigte, stiessen die Aktien kurz nach Börseneröffnung in die Nähe von 33 Franken vor, nur um im weiteren Tagesverlauf auf 29,80 Franken zurückzufallen.

Die Angst vor hohen Restrukturierungskosten drückt bei den Dufry-Aktien auf die Kursentwicklung (Quelle: www.cash.ch)

Dass Dufry auf die Ertragsflaute reagiert und die Personalkosten um bis zu 35 Prozent reduzieren will, kommt in Analystenkreisen zwar gut an. Allerdings verzichtet das Unternehmen bisweilen auf Angaben, wie hoch die Vorlaufkosten der angekündigten Massnahmen sind. Die Börse scheut bekanntlich nichts mehr als die Ungewissheit...

Mit AMS hat nun auch die Schweiz einen möglichen Börsenskandal, wenn auch keinen handfesten. Denn der Sensorenhersteller widerspricht einem Bericht des deutschen Handelsblatts vehement, wonach Österreichs Börsenaufsicht wegen angeblich zweifelhafter Aktiengeschäfte gegen die Unternehmensspitze ermittelt. Die Anschuldigungen wiegen schwer: Es geht um mögliche Marktmanipulation und Insidergeschäfte rund um die milliardenschwere Übernahme von Osram Licht. Man habe keine Kenntnisse von einer solchen Untersuchung, lässt man seitens des Unternehmens wissen.

Der Bericht setzte den Aktien von AMS am späten Donnerstag dennoch zu und liess diese gar um 16 Prozent tiefer aus dem Handel gehen. Bei der Zürcher Kantonalbank erklärt man sich den Kurssturz damit, dass die Nerven der Anleger nach der Insolvenz des deutschen Börsenüberfliegers Wirecard blank liegen. Aus den vorhandenen Fakten lassen sich für Analyst Andreas Müller jedenfalls noch keine negativen Schlüsse ziehen. Und sollten personelle Konsequenzen drohen, sieht er bei Osram Licht genügend fähige und in die laufende Integrationsplanung eingebundene Nachfolger bereitstehen.

Für Julius-Bär-Analyst Cengizhan Sen steht fest: Sollten sich die Anschuldigungen als wahr erweisen, muss AMS entschieden handeln und personelle Konsequenzen ziehen.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass sowohl Müller als auch Sen die Aktien des Sensorenherstellers und Apple-Zulieferers schon seit längerer Zeit zum Kauf empfehlen.

Die amerikanische Notenbank will die strengen Eigenhandelsvorschriften für Banken, auch bekannt als "Volcker-Rule", lockern. Dieses Gesetz reicht in die Zeit nach der Finanzkrise der Jahre 2008/09 zurück. Obwohl uns die Spätfolgen der Finanzkrise bis heute begleiten, will man den amerikanischen Banken allem Anschein nach wieder mehr Freiheiten lassen – als ob der "Casino-Kapitalismus" überhaupt jemals ausgestorben wäre. Es macht beinahe den Anschein, als habe man aus den Fehlern von damals nichts, aber auch gar nichts gelernt.

Dass die Aktien hiesiger Banken wie UBS oder Credit Suisse am heutigen Freitag eher unterkühlt auf diese Entwicklung reagieren, lässt sich damit erklären, dass die amerikanische Notenbank den dortigen Banken Dividendenerhöhungen oder den Rückkauf eigener Aktien im dritten Quartal untersagt.

Zur Erinnerung: Auf Druck der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) hin entrichten UBS und Credit Suisse ihre Dividende für 2019 in zwei Tranchen. Die erste Tranche kam bereits zur Auszahlung, die zweite dürfte im späteren Jahresverlauf folgen.

Ein doppeltes Spiel scheint Lonza zu spielen. Wie der für Jefferies tätige Analyst Peter Welford diese Woche eher beiläufig durchblicken liess, soll der Pharmazulieferer aus Basel neben dem amerikanischen Partnerunternehmen Moderna auf dem Gebiet von Covid19 noch auf einen weiteren nicht namentlich bekannten grossen Impfstoffspezialisten setzen – getreu dem Motto: Es ist nie falsch, noch ein weiteres Eisen im Feuer zu haben. Ob man das bei den Amerikanern auch so sieht?!

Die Aktien von Lonza flirten intensivst mit dem bisherigen Rekordhoch (Quelle: www.cash.ch)

Die Aussagen von Sulzer zur ersten Jahreshälfte deuten an, dass die Gewinnerwartungen der Analysten wohl noch immer zu hoch angesetzt sind – und das nicht nur beim Pumpenbauer aus Winterthur. Meine Vermutung: Es wird nicht bei dieser einen Gewinnwarnung bleiben. Weitere Schweizer Industrie-Urgesteine könnten im Vorfeld der ab Mitte Juli anlaufenden Halbjahresberichterstattung versucht sein, die an sie gerichteten Erwartungen zu dämpfen. Unternehmen, die sich davor zieren, laufen Gefahr, später zu enttäuschen. Fragt sich nun, was aus Aktionärssicht besser ist.

Womöglich gibt es nächsten Freitag von weiteren Umsatz- und Gewinnwarnungen zu berichten, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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