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Als der Swiss Market Index (SMI) am Mittwochmittag eben mal schnell auf unter 10'000 Punkte abtauchte, ging ein medialer Aufschrei durch unser Land. Allerdings war er nicht laut genug, um über die Landesgrenzen hinaus gehört zu werden. Das änderte sich auch nicht, als das Börsenbarometer seine Talfahrt tags darauf ungebremst fortsetzte und erst in der Region von 9890 Zählern Boden fand.

Dass dabei insbesondere die Schwergewichte Nestlé, Roche und Novartis zur Schwäche neigten, überrascht mich nicht. Denn schon vor dem Derivatverfall vom letzten Freitag berichtete ich davon, dass ausserbörslich mehrere Millionen Franken schwere Aktienblöcke die Hand wechseln würden. Und auch in den Tagen danach gingen – entgegen allen Gepflogenheiten – noch einmal grössere Blöcke um.

Meine Vermutung: Da haben sich angloamerikanische Grossinvestoren gerade noch rechtzeitig durch die Hintertür aus dem Staub gemacht. Wenn es dem eigenen Portemonnaie hilft, drücken diese übermächtigen Gegenspieler selbst hiesige Lokal-Matadore gnadenlos gegen die Wand. Und das ohne mit der Wimper zu zucken. Letzteres könnte auch damit zu tun haben, dass an gewissen Tagen über bis zu 80 Prozent der Transaktionsvolumina aus dem angloamerikanischen Raum sowieso Handelsalgorithmen entscheiden.

Wer nach weiteren Hinweisen für das Mitwirken dieser Grossinvestoren sucht, dürfte rasch einmal über die der Schweizer Börse SIX gemeldeten Beteiligungsreduktionen bedeutender Aktionäre stolpern. In den letzten zwei Wochen mussten sich zumindest bei Temenos und Alcon mehrere bedeutende Aktionäre als Verkäufer von Aktien zu erkennen geben, weil sie Schwellenwerte verletzten und meldepflichtig wurden.

Bei Nestlé verhinderte am Mittwoch selbst das Bekanntwerden einer geradezu beeindruckenden Wachstumsbeschleunigung im dritten Quartal nicht, dass die Notierungen ins Rutschen gerieten. Das erstaunt, hatten die Neunmonatsumsatzzahlen des Nahrungsmittelherstellers aus Vevey doch alle nötigen Zutaten für ein Kursfeuerwerk.

Bleiben trotz starkem Zahlenkranz eine Enttäuschung: Die Aktien von Nestlé (Quelle: www.cash.ch)

Mit 4,9 Prozent fiel das organische Umsatzwachstum zwischen Anfang Juli und Ende September beinahe doppelt so hoch aus als die Analysten durchschnittlich erwartet hatten – wobei der Online-Vertrieb in den ersten neun Monaten fast 50 Prozent mehr zum Umsatz beisteuerte als im Vorjahreszeitraum. Dass der Online-Vertrieb mittlerweile für 12,3 Prozent des Gruppenumsatzes verantwortlich ist, macht Nestlé zwar noch nicht gleich zur nächsten Amazon.com. Dennoch lässt diese Entwicklung zumindest ansatzweise erahnen, in welche Richtung die Pläne von Firmenchef Mark Schneider gehen. Umso unerklärlicher ist für mich die unterkühlte Reaktion der Börse.

Ich frage mich, was es denn noch braucht, damit das SMI-Schwergewicht endlich in neue Kurssphären vorstösst. Schliesslich liegt die bisherige Bestmarke von 113,20 Franken mittlerweile über ein Jahr zurück...

Für UBS-Chef Sergio Ermotti war es so etwas wie die Abschlussvorstellung, als er sich am Dienstag nach der Veröffentlichung der Drittquartalszahlen den Fragen der Analysten stellte. Der Tessiner übergibt die Grossbank seinem Nachfolger Ralph Hamers in Hochform. Mit gut zwei Milliarden Dollar erzielte die UBS zwischen Anfang Juli und Ende September den höchsten Quartalsgewinn seit der Finanzkrise der Jahre 2008/09. Dass die Valoren der Grossbank vermehrt wieder Auftrieb haben, dürfte allerdings nicht nur firmenspezifische Gründe haben. Wie mir mehrere Londoner Quellen berichten, lassen mächtige Grossinvestoren vermehrt wieder Gelder in europäische Bankaktien fliessen – wenn auch mit Zurückhaltung.

Die Kursentwicklung der letzten 12 Monate zeigt: Die UBS-Aktien haben noch immer Luft nach oben (Quelle: www.cash.ch)

Dass Logitech auf ein solides zweites Quartal zurückblickt, war eigentlich klar. Was die Lausanner den Aktionären da am frühen Mittwochmorgen an Zahlen zum Frühstück servierten, ist allerdings mehr als beeindruckend. Der Umsatz stieg um 75 Prozent, der Gewinn erfuhr im Jahresvergleich sogar eine Verdreifachung. Es ist der Stoff, aus dem Aktionärsträume gemacht sind. Das Kursfeuerwerk liess an diesem Tag denn auch nicht lange auf sich warten – zusätzlich befeuert durch erste Kursziele für die bereits gut gelaufenen Aktien von 100 Franken und mehr.

Was mir auffällt: Nicht nur bei Logitech – auch sonst liegen die bisher veröffentlichten Ergebnisse teilweise weit über den Analystenschätzungen. Selbst bei den hiesigen Sorgenkindern wie der Kiosk-Betreiberin Valora oder dem Automobilzulieferer Komax läuft das Tagesgeschäft besser als befürchtet. Das ist einerseits sehr erfreulich. Andererseits macht eine Schwalbe aber noch längst keinen Frühling. Die Stunde der Wahrheit schlägt im kommenden Frühjahr, wenn die Unternehmen über das Schlussquartal berichten. Vermutlich wird sich dann die Spreu vom Weizen trennen.

Nächste Woche nimmt nun aber erst einmal die Berichterstattung für das zurückliegende dritte Quartal so richtig Fahrt auf. Mit Novartis, Geberit, Credit Suisse, Swisscom, LafargeHolcim und Swiss Re melden sich nicht weniger als sechs Grossunternehmen aus dem SMI zu Wort, drei davon am kommenden Donnerstag. Neugierig bin ich auch auf die Zahlenkränze von Straumann und Clariant.

Den breiten Markt dürfte einzig der Zahlenkranz von Novartis bewegen. Nach zwei Ergebnisenttäuschungen in Folge muss Firmenchef "Vas" Narasimhan zeigen, dass er "den Laden möglichst rasch wieder in den Griff kriegt". Das Interesse gilt dabei den künftigen Wachstumsträgern wie dem Herzmedikament Entresto, den Gentherapien Zolgensma und Kymriah oder auch Kisqali.

Ich freue mich jetzt schon auf den kommenden Freitag, wenn wir Wirtschaftsjournalisten und Börsenkolumnisten nach dem zahlengeladenen Vortag durchatmen dürfen. Dann heisst es wieder: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.

 

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