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Aktienanalysten gibt es wie Sand am Meer – selbst wenn die Banken den Gürtel in diesem Geschäftsfeld seit Jahren enger schnallen. So gross die Expertenzahl, so unterschiedlich sind die Meinungen.

Die ganze Berufsgruppe in ein und denselben Topf zu werfen und zu verteufeln wäre dennoch falsch. Schliesslich gibt es durchaus fähige Aktienanalysten, die ihre Sache wirklich gut machen.

Meine – wenn auch nicht immer einfache – Aufgabe ist es, seit bald 15 Jahren tagtäglich die Spreu vom Weizen zu trennen. Und fast noch wichtiger: Die jeweiligen Empfehlungen kritisch zu hinterfragen. Regelmässige Leserinnen und Leser meiner Kolumne wissen, dass ich diese wenn möglich mit spitzer Feder kommentiere.

Ab und an begegne ich dabei geradezu spektakulären Umstufungen, wie jüngst bei Sonova. Für Beobachter überraschend stuft Julien Dormois von BNP Paribas die Aktien des Hörgeräteherstellers aus Stäfa von "Underperform" auf "Outperform" herauf – und das in bloss einem Schritt. Der Medizinaltechnikanalyst erhöht seine Gewinnschätzungen um bis zu 19 Prozent und veranschlagt neuerdings ein Kursziel von 275 (zuvor 200) Franken.

Das Unternehmen habe anderen Anbietern wohl auch in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres 2020/21 Marktanteile abgejagt. Dadurch steige nicht nur die Wahrscheinlichkeit für positive Ergebnisüberraschungen, sondern auch für eine Rückführung nicht operativ benötigter Mittel an die Aktionäre, so begründet Dormois seinen plötzlichen Meinungsumschwung.

Die Sonova-Aktien konnten seit Mitte März letzten Jahres bereits kräftig Boden gutmachen (Quelle: www.cash.ch)

Es ist an-und-für-sich nichts Verwerfliches dabei, wenn ein Analyst seine Meinung überdenkt. Macht er das in der Nähe des Rekordhochs und nachdem eine Aktie bereits über Monate hinweg kräftig gestiegen ist, frage ich mich allerdings: Muss das denn nun wirklich noch sein...?

Dieser Meinungsumschwung macht BNP Paribas übrigens zur Wiederholungstäterin. Denn keine drei Wochen ist es her, dass Analyst David O'Connor schon die Aktien des Sensorenherstellers AMS ebenfalls in einem Schritt von "Underperform" auf "Outperform" heraufstufte. Dabei verdreifachte er das Kursziel fast auf 30 (zuvor 13) Franken.

Bis heute mit eher mässigem Erfolg...

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Dass Sika im Tagesgeschäft abliefern kann, wird wohl niemand in Abrede stellen. Seit Jahren übertrifft der Bauchemiespezialist regelmässig selbst die kühnsten Erwartungen. Doch das Vorzeigeunternehmen aus dem steuergünstigen Baar kann auch Nachhaltigkeit.

Zu diesem Schluss kommen zumindest die Experten von Standard & Poor's. Sika schneidet bei der bekannten Rating-Agentur in Sachen "ESG" immerhin mit 74 von 100 möglichen Punkten ab. Ein ziemlich respektables Ergebnis.

Zur Erinnerung: Die drei Buchstaben "ESG" stehen für die englischen Begriffe "Environment", "Social" und "Governance". Gemeint ist eine möglichst verantwortungsvolle Unternehmensführung, nicht zuletzt auch in Sachen Umwelt und Gesellschaft.

Punkten kann der Bauchemiespezialist nicht zuletzt damit, dass er sich schon seit einer ganzen Weile mit der Thematik auseinandersetzt. Zudem loben die Experten das auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Produktangebot des Unternehmens sowie dessen Innovationskraft auf diesem Gebiet.

Die Sika-Aktien flirten mit dem Rekordhoch von Mitte Januar dieses Jahres (Quelle: www.cash.ch)

Einige Analysten – darunter etwa Cedar Ekblom von Morgan Stanley oder der für Goldman Sachs tätige Patrick Creuset – sehen in Sika gar einen möglichen Gewinner dieser Bestrebungen. Unnötig zu erwähnen, dass beide die Aktien zum Kauf anpreisen und das Thema ESG auch gleich zum Kernstück ihrer Kaufempfehlung machen.

Seit Freitag ist bekannt, dass der seit 32 Jahren für das Unternehmen tätige Thomas Hasler ab dem kommenden Mai in die Fussstapfen von Firmenchef Paul Schuler tritt. Ich bin jedenfalls jetzt schon gespannt, ob das Thema Nachhaltigkeit bei Sika auch unter Hasler einen derart hohen Stellenwert geniessen wird.

Keine Frage: Die drei Buchstanden "ESG" sind längst auch in der Börsenwelt angekommen und so schnell wohl nicht mehr wegzudenken. Doch so begrüssenswert es auch ist, wenn sich hiesige Unternehmen mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen, darf eines dabei nicht vergessen gehen: Für einige Banken und Beratungsfirmen ist die Thematik ein lukratives Geschäft. Und längst nicht immer ist auch "ESG" drin, wo "ESG" draufsteht – beim Bauchemiespezialisten Sika allerdings schon.

 

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