Investitionen als Antwort auf die Unsicherheit
Eine Gemeinsamkeit, welche die drei Schwergewichte bremst, ist die vorherrschende Unsicherheit bezüglich Trumps Zollpolitik. Die protektionistisch und kurzfristig gesteuerte Zollpolitik der USA erschwert allen drei global agierenden Konzernen eine verlässliche Planung ihrer Geschäftsmodelle und Investitionen. Besonders schwierig ist es unter den aktuellen Bedingungen, Entscheidungen zur Lieferkette, Standortwahl oder Produktentwicklung zu treffen, da eine klare Linie der US-Handelspolitik immer noch nicht erkennbar ist.
Um den Faktor Unsicherheit und das damit verbundene Zollrisiko zu entschärfen, planen alle drei Schwergewichte, ihre Investitionen in die USA massiv zu erhöhen. So plant Roche bis ins Jahr 2030 rund 50 Milliarden Dollar in den USA zu investieren. Novartis beabsichtigt, bis 2030 23 Milliarden Dollar in den USA zu investieren. Die massiven Investitionen der Schweizer Pharmakonzerne haben nicht nur die Entstehung neuer Produktionsstätten zur Folge, sondern tragen auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze bei. Der Nahrungsmittelkonzern Nestlé hat in den letzten drei Jahren insgesamt drei Milliarden Dollar in den Ausbau seiner US- Präsenz investiert. Im Vergleich zu Roche und Novartis ist Nestlé besser vor Zöllen geschützt, da über 95% des US-Umsatzes mit lokal produzierten Waren erzielt werden. Von Zollunsicherheiten sind bei Nestlé eher Rohstoffe oder Importprodukte wie beispielsweise Nespressokapseln aus der Schweiz betroffen.
Kosten- und Margendruck
Um den dauerhaften Zugang zum wichtigen US-Markt zu sichern, müssen alle drei Schwergewichte ihre Produktions- und Lieferketten anpassen, beispielsweise durch den Ausbau der US-Produktion. Dies führt zu einem zusätzlichen Aufwand und bindet Kapital, wodurch sich die Kosten erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit langfristig sinken dürfte.
Obwohl beide Pharmawerte Roche und Novartis noch ein starkes Umsatz- und Gewinnwachstum im 1. Halbjahr ausweisen, belasten die von Trump im Mai angekündigten Preisregulierungen. Mit der Meistbegünstigtenklausel (MLN) möchte Trump die Medikamentenpreise in den USA an die niedrigsten Preise anderer Industrieländer koppeln. Obwohl es angesichts der mächtigen Pharmalobby in den USA unwahrscheinlich ist, dass Trump diese durchsetzt, hat die Ankündigung bereits jetzt die Pharmawerte heftig unter Druck gesetzt. Der ohnehin bereits hohe Preisdruck durch das Auslaufen vieler Medikamentenpatente sowie den Wettbewerb hat sich nochmals verstärkt.
Ein weiterer Faktor für den Margendruck sind die direkten Effekte der Zollpolitik. Durch den Preisdruck dürfte die Nachfrage nach Lebensmitteln und Getränken insgesamt rückläufig sein. Laut dem Budget Lab der Yale University muss ein US- Haushalt unter dem aktuellen Zollniveau mit jährlichen Mehrkosten von 2,700 Dollar rechnen. Insbesondere Nestlé stösst bei Süssprodukten wie Kitkat bei Preissteigerungen auf Widerstand, da Konsumentinnen und Konsumenten aufgrund ihres belasteten Haushaltsbudgets nicht jede Preiserhöhung mitmachen können. Bei Produkten wie Kaffee ist die Preiselastizität deutlich höher: Trotz Preiserhöhungen kam es dort zu keiner Reduktion der verkauften Menge.
Wechselkurse
Die seit der Amtseinführung Trumps andauernden Handelskonflikte führen einerseits zu einem langsameren internationalen Wachstum und andererseits zu schwankenden Wechselkursen. Der seit Jahresbeginn schwächelnde Dollar, der auf den Vertrauensverlust in die US-Politik zurückzuführen ist, wirkt sich negativ auf den Konzernumsatz in Schweizer Franken aus. Insbesondere Umsätze aus dem Ausland verlieren nach der Umrechnung in Schweizer Franken an Wert. Bei einer starken Aufwertung des Frankens reichen Preisanpassungen im Ausland oft nicht aus, um den Wertverlust auszugleichen. Ein signifikanter Teil des Umsatzes der drei Schwergewichte entsteht in US-Dollar. Der Umsatzanteil von Roche und Novartis in den USA liegt bei über 40%, der von Nestlé bei rund 35%. Novartis hat bei den Wechselkursen einen Vorteil, da die Berichterstattung in US-Dollar folgt.
Ausblick
Die Zollrisiken dominieren zwar insgesamt, doch die robuste Bilanz und die starke Marktstellung von Novartis, Roche und Nestlé bieten gewisse Stabilitätspuffer. Solange das internationale Börsenumfeld volatil bleibt und sich protektionistische Tendenzen fortsetzen, dürfte die Performance der Schweizer Schwergewichte auch im weiteren Verlauf des Jahres unter dem Durchschnitt liegen. Insgesamt stehen die Pharmawerte Roche und Novartis besser da als Nestlé. Sie haben es trotz herausforderndem Umfeld dank Innovation, Effizienz und Wachstum geschafft, ihre Margen leicht zu steigern. Nestlé hingegen konnte trotz Preiserhöhungen seine Margen nicht stärken, was die starke Verwundbarkeit des Konsumgütergeschäftes bei gleichzeitigen Kostenerhöhungen aufzeigt.
Eine Entspannung bei den Zöllen sowie eine Klärung der Frage nach der Preisregulierung von Medikamenten könnte den Schwergewichten dagegen schnell Rückenwind geben, sodass sich für langfristige Anlegerinnen und Anleger Chancen ergeben könnten. Ein weiterer Vorteil der drei Schwergewichte besteht auch in der stabilen Dividendenpolitik, die im aktuellen volatilen Börsenumfeld Kursverluste abfedern kann.