„Europa wird ein bisschen mehr zahlen und Amerika etwas weniger“, mit dieser Aufforderung unterzeichnete Donald Trump im Mai ein Dekret, das eine Senkung der Medikamentenpreise in den USA fordert. Wie das genau gehen soll, lässt auch das Dekret offen, am Ende, so aber die Absicht des US-Präsidenten, sollen die Ausgaben für Arzneien in seinem Land fallen und dann nur noch ähnlich hoch liegen wie in jenen Staaten, die weltweit die günstigsten Preise zahlen.

Dass das so schwer umsetzbar ist, lässt Trump unerwähnt. Denn die Medikamentenpreise in einem Land spiegeln nicht eins zu eins die Entwicklungskosten plus Gewinnmargen der Unternehmen wider, sondern orientieren sich auch an der jeweiligen Kaufkraft der Einwohner. Fast schon traditionell liegt diese in den USA besonders hoch, weswegen hier dann auch die höchsten Medikamentenpreise bezahlt werden. Durch die höheren Kosten finanzieren die USA quasi die Entwicklungskosten, die anteilsmässig von anderen „ärmeren“ Ländern gezahlt werden müssten, mit.

Viele Faktoren sorgen für hohe Medikamentenpreise in den USA

Ein Modell, das gut funktioniert, in den USA aber schon seit längerem kritisiert wird. Auch Trumps Vorgänger wollten die Medikamentenpreise in den USA senken, doch umgesetzt wurde es nicht. Und auch eine von Trump während seiner ersten Amtszeit auf den Weg gebrachte Initiative scheiterte letztendlich an einem Gerichtsurteil.

Auch das nun von Trump unterzeichnete Dekret wird keine direkten Preissenkungen hervorrufen, vielmehr geht es darum, die Pharmaunternehmen an den Verhandlungstisch zu bekommen. Denn sie sind es letztendlich, die die Preispolitik neugestalten müssen. Geht es nach dem Willen der US-Regierung, soll ein Grossteil der Kosten, die die Unternehmen bislang über die USA eingespielt haben, künftig in Europa umgesetzt werden. Eine Forderung, die auf Zustimmung stösst, selbst in der Pharmaindustrie. Novartis und Sanofi etwa brachten erst vor kurzem deutlich höhere Preise für Medikamente in Europa ins Spiel.

Ob europäische Verbraucher und Versicherer am Ende höhere Preise zahlen müssen, ist jedoch nicht sicher. Klar ist nur, dass die Medikamentenpreise in den USA in der Tat deutlich über dem Durchschnitt liegen. Einer Studie der konservativen Rand Corporation nach, die im zurückliegenden Jahr veröffentlicht wurde, liegen die Preise für verschreibungspflichtige Arzneien in den USA im Durchschnitt fast dreimal höher als in anderen OECD-Ländern.

Dieser Unterschied ist allerdings nicht allein auf die Preispolitik der Pharmaunternehmen zurückzuführen. Das amerikanische Gesundheitsmodell selbst trägt dazu bei. In den USA nehmen nämlich sogenannte „Mittelsmänner“ eine wichtige Rolle ein. Die Pharma Benefit Managers geben Preise und Kostenanteile für Medikamente gegenüber Versicherten vor. Der Vorwurf lautet nun, dass sie Rabatte, die sie von den Pharmaunternehmen eingeräumt bekommen, nicht weitergeben, sondern zumindest zum Teil als Kommission selbst behalten. Dadurch wirken auch die Mittelsmänner preistreibend. Grosse Gesundheitsversicherer in den USA betreiben eigene Pharma Benefit Managers, weswegen sie nun auch im Fokus stehen.

Fallende Medikamentenpreise treffen nicht alle Pharmaunternehmen gleich

Man sieht, eine Kritik, die die hohen Medikamentenpreise in den USA allein auf die Preispolitik der Pharmaunternehmen zurückführt, greift zu kurz. Ob Trump allerdings die Kraft hat, das gesamte Gesundheitssystem in seinem Land zu reformieren oder am Ende doch nur die Pharmaunternehmen in die Pflicht nimmt, bleibt abzuwarten.

Dementsprechend unsicher sind auch die Auswirkungen der von Trump angepeilten Preisreduzierung auf die Pharmaunternehmen. Tendenziell wären natürlich jene Unternehmen besonders betroffen, die ein starkes US-Geschäft aufweisen. Unter Analysten werden hier vor allem Bristol-Myers Squibb, Pfizer und AbbVie genannt, deren Gewinn bis zu 20 Prozent sinken könnte, wenn sich die zukünftigen Preise der wichtigsten und verkaufsstärksten Medikamente in den USA am Preisniveau jener Länder orientiert, die für die Produkte vergleichsweise wenig zahlen. Der prognostizierte Gewinnrückgang setzt zudem voraus, dass die Unternehmen die Preise in anderen Ländern wie eben in Europa kaum oder nur wenig anheben können.

Besser sieht es für die Schweizer Pharmakonzerne aus. Für Novartis und Roche sehen Analysten einen Gewinnrückgang von maximal jeweils sechs Prozent voraus, sollte das neue Preisregime in den USA kommen. Steigen im Gegenzug dafür die Arzneikosten in Europa, könnte das unter dem Strich für eine nahezu vollständige Kompensation sorgen, so die Vermutung. AstraZeneca übrigens wäre mit einem Gewinnrückgang von rund zehn Prozent in Europa potenziell am stärksten von Preissenkungen in den USA betroffen.

Man sieht, Trumps Initiative zur Reduzierung der Medikamentenpreise ist für die Pharmakonzerne nicht frei von Nebenwirkungen, diese könnten sich aber als überschaubar erweisen, insbesondere für die Schweizer Konzerne. Noch steht allerdings nicht fest, wie sich die US-Regierung und die Pharmaunternehmen einigen werden. Geht es nach der beliebten Trump-Methode, erst drohen, dann nach Kompromissen suchen, besteht durchaus Hoffnung, dass Pharmaaktien nach den jüngsten Kursturbulenzen ein Kauf sein könnten.