Es ist so weit. Am vergangen 13. August überstieg die Staatsverschuldung der USA erstmalig die Marke von 37 Billionen USD. Dieser Betrag überschreitet den Gesamtwert aller in den USA produzierten Waren und Dienstleistung bei Weitem und somit beträgt die Staatschuldenquote rund 123 Prozent. Da die Wachstumsrate des Schuldenbergs deutlich höher ist als diejenige der Volkswirtschaft, geht das parteiübergreifende Congressional Budget Office des US-Kongress davon aus, dass das Verhältnis zwischen der Staatsverschuldung und der Wirtschaftsleistung im Jahr 2050 rund 145 Prozent betragen wird. Noch extremer ist die Prognose des Finanzministeriums, das eine Schuldenquote von 200 Prozent erwartet. Unabhängig von dem genaueren Prognosewert ist klar, dass die Aussichten für die US-Staatsfinanzen für die kommenden Jahrzehnte alles andere als rosig sind, wenn der Kurs nicht korrigiert wird.

Kein zentrales Thema in der politischen Debatte

Eigentlich gäbe es auch in den USA ein Instrument, um den raschen Aufstieg der Staatsverschuldung einzuschränken: Die Schuldenobergrenze. Allerdings handelt es sich dabei nicht um einen klaren Mechanismus wie bei der Schweizer Schuldenbremse, die der konjunkturellen Entwicklung zur Bestimmung der zulässigen Defizite Rechnung trägt. Jenseits des Atlantiks geht es lediglich um eine bestimmte Zahl, die den Gesamtbetrag an Geld begrenzt, den der Staat ausleihen darf. Solche Obergrenze kann von der Regierung mit der Zustimmung des Kongresses beliebig erhöht werden.

Dies passierte abermals im vergangenen Juli, als der Kongress Donald Trumps «One Big Beautiful Bill» guthiess. Das Gesetz ist eine Ansammlung von zahlreichen fiskalpolitischen Massnahmen. Darunter zählen weniger Einnahmen durch eine umfassende Steuerreform, die die Erneuerung der auslaufenden Steuersenkungen für Unternehmen und Privatpersonen von 2017 sowie neue Abzüge und Ausnahmen vorsieht und Kürzungen der Ausgaben für den Sozialstaat, Gesundheitswesen und Energiewende enthält. Das Sahnehäubchen auf dem Kuchen ist die Erhöhung der Schuldenobergrenze um zusätzliche 5 Billionen USD auf über 41 Billionen USD. Die Auswirkungen für den öffentlichen Haushalt sind beträchtlich: Gemäss verschiedener Schätzungen wird die Staatsverschuldung in den nächsten 10 Jahren mindestens um zusätzliche 3 Billionen zunehmen.

Abgesehen von vereinzelten Abgeordneten und Senatoren beider Parteien hat das Thema nicht viel Aufsehen erregt. Die hohe Verschuldung der Regierung ist sozusagen ein Anliegen, das das politische Spektrum vereint. Innerhalb der letzten 50 Jahren ist es nur während der zweiten Amtszeit von Präsident Bill Clinton passiert, dass das Finanzjahr mit einem ausgeglichenen Haushalt oder sogar einem Überschuss abgeschlossen wurde.

Noch nicht mit Wasser im Hals

Trotz der raschen Ausweitung der Staatsverschuldung, die sich seit der Finanzkrise 2007/2008 mehr als verdreifacht hat, sind die USA dennoch alles anders als bankrott. Deren Wirtschaft ist weltweit in vielen zukunftsorientieren Bereichen führend, der Kapitalmarkt ist unübertroffen und der US-Dollar bleibt trotz jüngsten Vertrauensverlustes und Abwertung nach wie vor die weltweite Leitwährung für den Handel und die Finanzmärkte.

Dies ungeachtet davon, dass US-Wirtschaft durch ein Doppeldefizit geprägt ist: Neben jenen des Haushaltes sind die USA Netto-Importeure. Ausgerechnet dieses Leistungsbilanzdefizit spielt eine wichtige Rolle bei der steigenden Staatsverschuldung. Den aufgrund dessen fliessen fortwährend viele US-Dollar ins Ausland. Diese Gelder können für den Kauf amerikanischer Waren oder Dienstleistungen oder für Investitionen in den Vereinigten Staaten verwendet werden. Besonders geeinigt aus Sicht der Risiko-Rendite-Verhältnis sind die US-Treasuries. So befinden sich rund ein Drittel der ausstehenden Staatsanleihen in ausländischem Besitz. Diese hohe Nachfrage trägt grundsätzlich dazu bei, die Kreditkosten für die US-Regierung niedrig zu halten. Dadurch wird die Aufnahme weiterer Verschuldung gefördert, anstatt politisch unpopuläre Themen wie höhere Steuereinnahmen oder geringere Staatsausgaben anzugehen.

Die Ergebnisse jahrzehntelanger lockerer Haushaltsdisziplin sind in den monatlichen Berichten über die Staatsfinanzen sichtbar. Im Fiskaljahr 2025 zeichnet sich eine Beschleunigung der Defizitausweitung ab. Frappant ist die Tatsache, dass die Zinszahlungen mittlerweile den zweitgrössten Ausgabeposten noch vor den Verteidigungsausgaben darstellen. Täglich kostet der Schuldendienst der US-Regierung 3 Milliarden USD. Auch die Privatwirtschaft leidet unter der hohen Verschuldung, da die staatliche Kreditaufnahme die Zinssätze in die Höhe für alle treibt und so die Investitionen des privaten Sektors verringert.

Trump-Politik zu Gunsten der öffentlichen Finanzen?

Seit dem zweiten Amtseintritt vom Präsidenten Donald Trump hat sich aber den Wind gedreht. Mit seiner protektionistischen Handelspolitik möchte Trump das Handelsdefizit verringern und Unternehmen dazu veranlassen, Produktionsstätte in den USA zu eröffnen. Die hohen Zollsätze setzen die Handelspartner unter Druck, und dies könnte eine zweischneidige Waffe sein, wenn Länder wie China ihre grossen Bestände an US- Staatsanleihen nutzen würden, um die Finanzierungskosten der USA durch gezielte Verkäufe zu erhöhen.

Ein zweites heisses Thema für Trump ist der Fed-Leitzins, der zurzeit in einer Spanne zwischen 4,25 und 4,50 Prozent liegt. Trump will unbedingt ein deutlich tieferes Zinsniveau zur Stimulierung der wirtschaftlichen Aktivität. Es gibt jedoch einen zweiten wichtigen Aspekt: Ein grosser Teil der während der COVID-Krise aufgenommenen Schulden war kurzfristig und muss bald refinanziert werden. Im laufenden Jahr muss rund ein Viertel der Staatsanleihen in einem Hochzinsumfeld refinanziert werden.

Die Staatsfinanzen sind ein weniger attraktiveres Thema als Handelsdefizite, und statt das Anliegen ernsthaft zu analysieren, werden unkonventionelle Lösungen vorgeschlagen. Die steigenden Einnahmen aufgrund der Zollpolitik werden bei weitem nicht ausreichen, um die öffentlichen Finanzen zu verbessern. Darüber hinaus flirtete man mit der Umwandlung bestehender kurzfristiger Staatsanleihen in sehr langfristige und tiefverzinste Schuldverschreibungen. Das wäre beispiellos und würde grosse Spuren auf den Finanzmärkten hinterlassen.

Wohin geht die Reise?

Die Vernachlässigung dieser Thematik ist auch die Folge einer kurzsichtigen Denkweise, die beide Parteien betrifft und die die strukturellen Folgen einer ungebremsten Verschuldung für die nächsten Generationen nicht berücksichtigt. Ein immer grösserer Teil des Staatshaushalts muss für Zinszahlungen und Rückzahlungen verwendet werden, was die Ausgabefähigkeit der Regierung einschränkt. Aber dann werden am Markt wahrscheinlich schon lange die Alarmglocken – sprich steigenden Zinsen –läuten. Es gibt zwar noch Spielraum für einen Richtungswechsel, aber mit der Zeit wird er immer kleiner.

In einem Extremfall könnte die Fed in den Markt einsteigen und US-Staatsanleihen im grossen Stil kaufen, um die Zinsen zu beruhigen. Die Trennlinie in Richtung Monetarisierung der Staatsverschuldung ist aber dünn und die Auswirkungen für die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Finanzmärkte sind beträchtlich. Wer wäre bereit, US-Schulden zu kaufen, wenn er wissen würde, dass die Zentralbank auf Befehl der Regierung eingreifen kann? So weit ist man aber (noch) nicht, und vielleicht ist es Musik aus einer fernen Zukunft. Im aktuellen Umfeld bleiben die US-Treasuries eine sichere Anlage, die trotz Währungsrisiken eine interessante Kapitalrendite anbieten.