Die Midlife-Krise ist ein bedeutendes, aber häufig unbeachtetes Phänomen unserer Zeit. Gerade in reichen Ländern leiden viele Menschen in ihrer Lebensmitte unter psychischem Stress, obwohl sie in diesem Zeitraum ihr höchstes Lebenseinkommen erzielen und bis dahin normalerweise noch keine gravierenden Gesundheitsprobleme hatten. Zudem leben wir heute in einer der sichersten und wohlhabendsten Perioden der menschlichen Zeitgeschichte.

Es ist paradox, dass viele Menschen trotz Wohlstand, Frieden, Sicherheit und Gesundheit in eine ernsthafte Midlife-Krise geraten. Hierfür gibt es bislang keine schlüssige Erklärung.

Diese Erklärungslücke können auch Osea Giuntella von der Universität Pittsburgh, Sally McManus von der City Universität London, Redzo Mujcic und Andrew Oswald von der Universität Warwick, Nattavudh Powdthavee von der Technischen Universität Nanyang sowie Ahmed Tohamy von der Universität Oxford nicht schliessen. Sie publizierten aber in einem kürzlich erschienenen Arbeitspapier interessante Fakten zur Midlife-Krise.

Diese Fakten basieren auf weltweiten Gesundheitsdaten und Befragungsergebnissen von rund 500'000 Menschen aus zahlreichen Ländern wie beispielsweise Australien, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Kanada, Niederlande, Spanien und USA. Im Detail untersuchten die Forscher den Zusammenhang zwischen Lebensalter und grösseren psychischen Problemen. Dabei fanden sie stets dasselbe Muster: die Häufigkeit der psychischen Probleme steigt zunächst mit zunehmendem Lebensalter, erreicht im Altersabschnitt zwischen 45 und 54 Lebensjahren seinen Höhepunkt und fällt danach wieder ab.

Beispielsweise zeigen die ausgewerteten Daten, dass das Selbstmordrisiko mit Anfang 50 am höchsten ist, wobei der Höhepunkt dieses Risikos bei Frauen etwas früher als bei Männern liegt. Auch klinische Depressionen und generalisierte Angststörungen werden am häufigsten bei Personen zwischen 45 und 54 Jahren diagnostiziert.

Psychischer Stress und Schlaf hängen eng zusammen. Normalerweise brauchen erwachsene Menschen acht Stunden Schlaf pro Tag. Was passiert mit dem Schlaf in der Lebensmitte? Im Vereinigten Königreich erfolgen die meisten Krankenhauseinlieferungen wegen Schlafstörungen bei Personen, die sich im fünften Lebensjahrzehnt befinden. Daten aus den USA, Kanada und Europa zeigen, dass die meisten Menschen im Altersabschnitt zwischen 35 und 50 Jahren am wenigsten schlafen.

Auch bei Migräne finden die Forscher ein ähnliches Bild. Von über 200'000 befragten Personen zwischen 16 und 75 Jahren antworteten 8.3 Prozent, an Migräne zu leiden. Davon waren die meisten zwischen 40 und 50 Jahre alt.

Australische Surveys, bei denen mehr als 20 000 Personen über 17 Jahre hinweg unter anderem zu ihrem Arbeitsstress befragt wurden, zeigen, dass der empfundene Arbeitsstress mit etwa 45 Jahren am grössten ist.

Weitere Stressphänomene wie etwa Alkoholabhängigkeit, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen weisen einen ähnlichen altersabhängigen Verlauf auf. Stets ist der Höhepunkt in der Lebensmitte.

Wie bereits erwähnt, sind die Ursachen für diese Midlife-Krise noch nicht bekannt. Es ist auch nicht klar, ob es sich bei der Midlife-Krise um ein zeitloses Phänomen oder eine Besonderheit unserer Wohlstandsgesellschaft handelt.

Auf jeden Fall verdient das Problem viel mehr Aufmerksamkeit, als es derzeit bekommt. Diejenigen, die ihre Lebensmitte bereits hinter sich haben, dürfen aufatmen. Alle anderen sollten sich hingegen ernsthafte Gedanken über ihre psychische Gesundheit und ihre Work-Life Balance in der Mitte ihres Lebens machen.