Die Kolumne «Gopfried Stutz» erschien zuerst im 

Isabelle Stadelmann-Steffen ist Professorin für Vergleichende Politik am Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern. In einem Vortrag in Bolligen BE erzählte sie jüngst: Je komplexer eine Vorlage, desto schwieriger sei es, an der Urne eine Mehrheit dafür zu finden. Mehrere Studien würden das belegen.

Willkommen beim BVG, dem Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. Die berufliche Vorsorge hat sich im Verlauf der Jahre zu einem äusserst verworrenen Konstrukt entwickelt. So tut sich Bundesbern gerade wahnsinnig schwer, die wacklige zweite Säule zu revidieren. Der Nationalrat hat in der Wintersession den bundesrätlichen Vorschlag zerzaust und eine eigene Version verabschiedet. Am Dienstag hätte der Ständerat darüber beraten sollen. Doch dessen vorberatende Kommission hat es erneut nicht geschafft, dem Rat eine taugliche und abstimmungsreife Vorlage zu präsentieren.

Vor allem die Unterscheidung zwischen obligatorischem und überobligatorischem Teil macht die Sache komplex und undurchsichtig. Auf dem Papier wäre es noch einigermassen verständlich: der obligatorische Teil entspricht den gesetzlichen Mindestvorgaben. Das Gesetz bestimmt, wie hoch die Lohnabzüge, der versicherte Lohn oder der Umwandlungssatz mindestens sein müssen. Doch Arbeitgeber wollen auf dem Markt attraktiv sein, deshalb sind die Arbeitnehmer- und insbesondere die Arbeitgeberbeiträge häufig höher als gesetzlich vorgeschrieben. Oft wird zudem das individuelle Pensionskassenkapital zu einem höheren Satz verzinst, als ihn der Bundesrat Jahr für Jahr festlegt. All das, was über das gesetzliche Minimum hinaus geht, fliesst in den überobligatorischen Topf.

Unbestritten ist in der laufenden BVG-Revision, dass der Umwandlungssatz gesenkt werden muss, der das obligatorisch angesparte Kapital mit einem festen Prozentsatz von derzeit 6,8 Prozent in eine Rente umwandelt. Bestritten ist hingegen, wie die Übergangsgeneration für die damit einhergehenden Rentensenkung zu entschädigen ist.

So sind wir bei der Unterscheidung zwischen Obligatorium und Überobligatorium: Grundsätzlich ginge es bei der Gesetzesrevision allein um den obligatorischen Teil, weil nur er den gesetzlichen Mindestvorgaben unterliegt. Doch bei der Entschädigung der Übergangsgeneration geht es nicht ohne Gelder aus dem überobligatorischen Topf. Mit anderen Worten: Der Gesetzgeber bestimmt, wie die freiwillig angesparten Guthaben zu verwenden sind. Ihm bleibt nichts anderes übrig, wenn er sicherstellen will, dass die zweite Säule nicht kollabiert.

Man kann nur hoffen, dass sich das Bundesparlament zu einer mehrheitsfähigen Lösung durchzuringen vermag und dass dereinst nicht das Referendum gegen die Vorlage ergriffen wird. Andernfalls sei an dieser Stelle an die eingangs zitierten Worte von Isabelle Stadelmann-Steffen erinnert.