Börsenexperte Andreas Lipkow sprach von einer wieder aufgeflammten Zinssenkungsphantasie in den USA. Die Marktteilnehmer setzten nach jüngsten Äusserungen des US-Notenbankmitglieds John Williams nun auf eine Zinslockerung bei der kommenden Notenbanksitzung im Dezember.

Mit 22.943 Punkten war der deutsche Leitindex am Freitag zeitweise auf den tiefsten Stand seit Mai abgesackt. Selbst gute Zahlen und ein starker Quartalsausblick des KI-Konzerns Nvidia hatten die zuletzt von Zinssorgen geprägte Anlegerstimmung nur kurzzeitig wieder in die Spur gebracht.

Angesichts der Einigung zwischen den USA und der Ukraine auf einen überarbeiten Plan für ein mögliches Ende des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine stehen die deutschen Rüstungswerte weiter unter Druck. So fielen die Papiere von Rheinmetall auf den tiefsten Stand seit Ende April und bildeten mit einem Kursrückgang von 3,3 Prozent das Schlusslicht im Dax. Die Titel von Renk und Hensoldt waren mit Verlusten von 3,1 beziehungsweise 3,2 Prozent die schwächsten Werte im MDax.

Unter den Einzelwerten ragten im Dax die Aktien von Bayer mit einem Kursplus von mehr als 12 Prozent und dem höchsten Stand seit rund 14 Monaten heraus. Der Pharma- und Agrarchemiekonzern veröffentlichte starke Studienergebnisse mit dem Gerinnungshemmer Asundexian zur Behandlung von Schlaganfällen. Bayer will deshalb nun weltweit Gespräche mit Gesundheitsbehörden über Zulassungsanträge aufnehmen.

Der Studienerfolg von Asundexian in der Prävention bei Patienten mit vorherigen Schlaganfällen bringe das Mittel auf Blockbuster-Kurs mit mehr als einer Milliarde Euro Umsatzpotenzial, schrieb Richard Vosser von JPMorgan. Sein Kollege James Quigley von Goldman Sachs taxiert das globale Spitzenpotenzial für Asundexian sogar auf 3 Milliarden Euro.

Ein komplexer Deal zwischen United Internet und der Tochter 1&1 stützt die Aktien beider Unternehmen. United Internet will das Telekommunikationsgeschäft künftig ganz in ihrer Tochter bündeln. Dazu übernimmt 1&1 die 1&1 Versatel von United Internet für etwa 1,3 Milliarden Euro. Der Preis erscheine etwas hoch, sagte ein Börsianer. Letztlich dürfte der Deal aber vor allem als der lange erwartete nächste Schritt in der Konsolidierung des deutschen Markts gesehen werden. Die Papiere von United Internet stiegen um 3,2 Prozent, jene von 1&1 gewannen 3,9 Prozent.

Eine weitere United-Internet-Tochter, Ionos , will bis zu 2 Millionen eigene Aktien für bis zu 60 Millionen Euro zurückkaufen. Der Rückkauf erfolge unter anderem zur Bedienung von Ansprüchen aus Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, könne aber grundsätzlich für alle in der Hauptversammlungsermächtigung genannten Zwecke verwendet werden, teilte der Internetdienstleister mit. Die Ionos-Anteilsscheine verteuerten sich um 2,8 Prozent.

Zudem sorgen einige Umstufungen für Bewegung. So nahm Goldman Sachs die Titel von Mercedes-Benz und BMW jeweils mit dem Anlageurteil «Buy» wieder in die Bewertung auf. Analyst Christian Frenes sieht die beiden die Premium-Autobauer am stärksten unterbewertet. Bei BMW und Mercedes lobte er unter anderem die gesunden Bilanzen und Barmittelzuflüsse sowie die aktionärsfreundliche Mittelverwendung. Die BMW-Anteilsscheine stiegen um 2,5 Prozent und die Mercedes-Papiere um 1,9 Prozent.

Das Analysehaus Jefferies nahm die Bewertung von Nemetschek ebenfalls mit «Buy» auf. Der Bereich Bausoftware stehe in der Digitalisierung noch relativ am Anfang, Nemetschek dürfte hier besonders stark wachsen, schrieb Analyst Charles Brennan. Die Nemetschek-Titel stiegen um 3,7 Prozent./edh/mis

(AWP)