Der am Dienstag veröffentlichte Bericht «Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen in der Schweiz» der Eidgenössischen Finanzverwaltung (EFV) liefert alle vier Jahre Projektionen, aber keine Prognosen, wie der Bund betont. Die demografischen und wirtschaftlichen Entwicklungen seien mit grossen Unsicherheiten behaftet.

Bei den Szenarien wird auch davon ausgegangen, dass die Fiskalregeln, also etwa die Schuldenbremse des Bundes, nicht greifen. Trotzdem verdeutlicht der Bericht den grossen finanzpolitischen Handlungsbedarf in den nächsten 35 Jahren. Die Finanzen von Bund, Kantonen, Gemeinden und Sozialversicherungen geraten demnach immer stärker unter Druck.

Bereits bekannt ist, dass sich beim Bund in den kommenden Jahren strukturelle Defizite von bis zu 4 Milliarden Franken abzeichnen, Der Bundesrat will noch in diesem Jahr Wege aufzeigen, was dagegen unternommen werden soll. Eine entsprechende Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit dem Thema.

Starker Anstieg der Schuldenquote

Zwei prägende strukturelle Entwicklungen, die Alterung und der Klimawandel, werden gemäss dem Bericht über Jahrzehnte hinaus die Finanzpolitik in der Schweiz prägen. «Beide Politikbereiche werden für die öffentlichen Haushalte mittel- bis langfristig grosse Herausforderungen darstellen», schreibt der Bund.

Entwickeln sich Wirtschaft und Bevölkerung wie angenommen, zeigen die Projektionen, dass die demografieabhängigen Ausgaben von 17,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) auf 19,8 Prozent des BIP bis 2060 zunehmen. Ohne Reformen würden die Schulden der öffentlichen Hand dadurch von derzeit 27 auf 48 Prozent des BIP steigen.

Der Reformbedarf sei vor allem auf Stufe Bund und Kantone ausgeprägt, heisst es im Bericht. Beim Bund stellten insbesondere die Ausgaben für die AHV eine Herausforderung dar - umso mehr nach der Annahme der Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente. Die Kantonsfinanzen gerieten vor allem bei den Gesundheitsausgaben stärker unter Druck.

Gedämpftes Wirtschaftswachstum

Der Bericht schätzt zudem erstmals die langfristigen finanziellen Auswirkungen von Klimaschutzmassnahmen zum Erreichen des Netto-Null-Ziels ab. Zu diesem hat sich die Schweiz mit dem Klimaschutzgesetz verpflichtet.

Unter den getroffenen Annahmen zeigen die Projektionen, dass der Weg zu Netto-Null vor allem den Bund und die Sozialversicherungen finanziell belasten wird, wie dem Bericht zu entnehmen ist. «Dies, weil Klimaschutzmassnahmen das Wirtschaftswachstum dämpfen und damit auch das Wachstum der öffentlichen Einnahmen.»

Die Elektrifizierung des Verkehrssektors führe zudem zu wegfallenden Einnahmen aus der Mineralölsteuer und der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA). In der Studie wird jedoch davon ausgegangen, dass diese durch Ersatzabgaben kompensiert werden können.

Studie mit Pilotcharakter

Ein verstärkter Einsatz von Subventionen in der Klimapolitik erhöht den Druck auf die öffentlichen Finanzen zusätzlich. Im Jahr 2060 würde die Schuldenquote des Gesamtstaats je nach Politikszenario um 8 bis 11 Prozentpunkte höher liegen als ohne Klimaschutzmassnahmen. Obwohl bisher international und für die Schweiz noch keine belastbaren Schätzungen dazu vorliegen, ist sich die Wissenschaft einig, dass die Kosten des Klimawandels für die öffentlichen Haushalte deutlich höher ausfallen werden als die Kosten der Klimaschutzmassnahmen.

Die Kosten des Klimawandels selbst und jene der Anpassungsmassnahmen konnten aufgrund noch unzureichender Datengrundlagen nicht quantifiziert werden. Die Betrachtung bleibt damit vorerst einseitig auf die Kosten der Klimapolitik beschränkt.

Die finanzpolitischen Klima-Szenarien basieren auf einer Studie des Forschungsinstituts Ecoplan. Die Analyse hat laut dem Bund Pilotcharakter. Die Schweiz sei weltweit eines der ersten Länder, die eine derartige Schätzung durchführen.

(AWP)