Amherd wurde am Dienstag von Karis im Präsidentenpalast empfangen. «Die Diskussion über den Krieg in der Ukraine war interessant», sagte Amherd der Nachrichtenagentur Keystone-SDA in der estnischen Hauptstadt Tallinn.
Die Walliserin sprach mit ihrem Amtskollegen insbesondere über die hochrangige Konferenz zur Friedensformel für die Ukraine, die die Schweiz derzeit organisiert. Dies sei ein Schritt, der von Estland unterstützt werde, versicherte sie.
Der Krieg in der Ukraine kam auch in ihrem Gespräch mit dem Verteidigungsminister zur Sprache. Estland verstehe die neutrale Position der Schweiz und dass sie deswegen keine Waffen ausführen könne. «Sie sind froh, dass wir im humanitären Bereich viel tun, auch die Minenräumung», sagte Amherd.
Die Esten seien besonders daran interessiert zu erfahren, ob die Schweiz auch Seeminenräumungen durchführe. Im Rahmen dieser Unterstützung bei der Minenräumung «schauen wir uns die Bedürfnisse der Ukraine an», sagte Amherd.
Obwohl die Schweiz nicht auf die Seeminenräumung spezialisiert sei, würde man, falls die Ukraine einen grossen Bedarf in diesem Bereich anmelden sollte, «mit Spezialisten zusammenarbeiten und nach Lösungen suchen», so die Schweizer Verteidigungsministerin.
Cyberverteidigung
Das Treffen Amherds mit ihrem Amtskollegen Pevkur bot Gelegenheit, die bilateralen Beziehungen im Verteidigungsbereich zu erörtern. Sowohl die Schweiz als auch Estland haben ein Milizsystem und ein ähnliches System für die Mobilmachung. Vor etwa 20 Jahren habe die Schweiz Estland darüber informiert, wie sie vorgehe. Estland habe das Verfahren dann übernommen und weiterentwickelt, sagte die Ministerin.
Armeechef Thomas Süssli werde im Juni nach Estland reisen, um sich mit seinen Partnern auszutauschen und zu sehen, ob die Schweiz von den Entwicklungen in Estland lernen könne, sagte Amherd weiter. In Estland kenne man ein Reservesystem, man wolle schauen, ob das eine Möglichkeit für die Schweiz wäre. Er werde sich auch über die Cyberverteidigung informieren, in der Estland Erfahrung habe.
Die Bundespräsidentin traf später die estnische Premierministerin Kallas. Mit ihr habe sie über Digitalisierung, Cybersicherheit und künstliche Intelligenz gesprochen. Das Land sei auch weiter beim E-Voting als die Schweiz. Bei der letzten Wahl hätten über 50 Prozent der Stimmberechtigten in Estland mit E-Voting abgestimmt, sagte Amherd.
Russische Vermögenswerte
Bei ihrem Treffen mit Kallas wurde auch das Einfrieren russischer Vermögenswerte thematisiert. In Estland ist ein Gesetz zum Einfrieren dieser Vermögenswerte und der Verwendung für den Wiederaufbau der von Russland überfallenen Ukraine in Vorbereitung. Wenn sich die europäischen Länder und die G7 auf ein derartiges Gesetz einigen, sollte auch die Schweiz darüber nachdenken, ein solches Gesetz zu verabschieden, meinte Amherd.
Die Schweiz wolle eine Lösung auf internationaler Ebene und nicht, dass jedes Land seine eigenen Massnahmen entwickle. Die estnische Premierministerin habe versichert, dass die Europäische Union und die G7 an ähnlichen Projekten wie dem estnischen Gesetz arbeiteten, sagte Amherd. Auf die Frage, ob ein solches Gesetz mit der Schweizer Neutralität vereinbar sei, antwortete die Bundespräsidentin, das hänge von der Situation ab.
Beziehungen mit der EU
Während sich der Entwurf des Verhandlungsmandats mit der EU in der Konsultation befindet, kamen auch die Beziehungen zwischen der Schweiz und ihrem grossen Nachbarn zur Sprache. Die Schweiz könne auf die Unterstützung Estlands zählen, das ebenfalls für eine schnelle Lösung sei, versicherte Amherd nach ihren Treffen in Tallinn.
Im Rahmen des zweiten Schweizer Beitrags zugunsten bestimmter EU-Mitgliedsstaaten ist ein Betrag von 26 Millionen Franken für Estland reserviert. Dieser Beitrag ermöglicht es den beiden Ländern, in den Bereichen Biodiversität und Integration zusammenzuarbeiten, ein wichtiges Thema für das baltische Land, das viele ukrainische Flüchtlinge beherbergt.
Von Estland aus reist die Bundespräsidentin weiter nach Norwegen.
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(AWP)