WAS IST BISHER GESCHEHEN?

Beim Beschaffungsprojekt für ein neues Aufklärungsdrohnensystem namens ADS-15 für die Schweizer Armee ist seit Längerem der Wurm drin. 2015 stimmte das Parlament dem Kauf zu. 2019 hätte das Projekt abgeschlossen sein sollen. Sechs Jahre später ist das Geschäft aber immer noch nicht abgeschlossen. Die Beschaffung der sechs Drohnen des Typs Hermes 900 HFE vom israelischen Hersteller Elbit samt Bodenkomponenten, Simulator und Logistik ist weiterhin in der Schwebe. Zuletzt stand selbst ein vollständiger Projektabbruch im Raum. Weil die Vorgängerdrohnen ausgemustert sind, werden Helikopter für Aufklärungsmissionen eingesetzt.

WO HARZT ES?

Immer wieder, an verschiedenen Stellen. Im Zentrum steht der israelische Hersteller Elbit, der den Aufwand rund um das Projekt unterschätzt hat. Beispielsweise entstand bereits vor Jahren bei der Zertifizierung der neuen Drohnen ein ungeplanter Zusatzaufwand. Weitere Pannen folgten, exemplarisch dafür war eine technische Störung bei einem Flugversuch. Ein Problem waren auch die Sonderwünsche der Schweiz mit verschiedenen Zusatzfunktionen. Anfang 2025 übte die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) zum wiederholten Mal scharfe Kritik am Beschaffungsprojekt. Die Lieferanten seien unzuverlässig, und die Projektleitung habe Mühe, diese zu führen.

WAS HAT DER BUND NUN ENTSCHIEDEN?

Das Verteidigungsdepartement (VBS), das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) sowie die Armee haben beschlossen, das Projekt zu redimensionieren. Statt die Übung abzubrechen, soll auf zentrale Funktionalitäten verzichtet werden. Die sechs Drohnen sollen kein automatisches Ausweichsystem, kein System für GPS-unabhängige Starts und Landungen sowie kein System für die Enteisung enthalten. Diese drei Funktionalitäten waren von der israelischen Herstellerfirma Elbit und von der Ruag ursprünglich zugesichert worden. Sie liessen sich aber kaum mehr umsetzen, so das VBS.

WAS BEDEUTET DAS KONKRET?

Der Entscheid bedeutet laut dem VBS zwar Einschränkungen bei der Verfügbarkeit, so sind etwa bei Eisbildung und bei Bodennebel keine Flüge möglich. Auch müssten die Drohnen im unkontrollierten Luftraum bei Tag von einem Begleitflugzeug eskortiert werden, damit die Gefahr einer Kollision mit einem Segelflugzeug oder Gleitschirm gebannt ist. Trotz der Einschränkungen beim Einsatz blieben aber zentrale Fähigkeiten wie die Aufklärung mit langer Verweildauer in der Luft sichergestellt.

WAS SAGT DER VERTEIDIGUNGSMINISTER DAZU?

Laut Verteidigungsminister Martin Pfister ist es «essenziell, dass das Projekt erfolgreich umgesetzt werden kann». Ein Weiter-wie-bisher sei jedoch keine Option, sagte er am Donnerstag auf dem Militärflugplatz Emmen LU. Mit den nun reduzierten Anforderungen vonseiten der Schweiz stehe nun in erster Linie die israelische Lieferantin in der Verantwortung. Doch müsse die Schweiz auch selbstkritisch sein. «Auch wir haben nicht alles richtig gemacht», sagte Pfister. Die Schweizer Anforderungen - «diese Helvetisierungen» - hätten einen Anteil daran gehabt, dass das Projekt bisher nicht erfolgreich gewesen sei.

WAS KÖNNEN DIE DROHNEN NOCH?

Die Drohnen sind neun Meter lang und haben eine Flügelspannweite von 17 Metern. Sie können zivil und militärisch genutzt werden. Vom Boden aus gesteuert, sollen die grauen Fluggeräte einen ganzen Tag in der Luft bleiben können und aus grosser Höhe Bilder für die Armee liefern. Trotz der nun gestrichenen Funktionen soll es im kontrollierten Luftraum keine Einschränkungen geben, wie Rüstungschef Urs Loher sagte. Die Drohnen könnten auch nachts ohne Begleitflugzeug fliegen. Nur im unkontrollierten Luftraum - bis 3000 Meter im Flachland und bis 4000 Meter im Alpengebiet - brauche es tagsüber ein Begleitflugzeug oder einen Begleithelikopter.

WAS IST MIT DEN KOSTEN?

Die Kosten für das Projekt waren auf rund 300 Millionen Franken veranschlagt worden. Rund 240 Millionen Franken davon wurden bereits investiert. Wegen der eingeschränkten Funktionen soll die Herstellerfirma in Israel nun der Schweiz entgegenkommen. Sie musste in der Vergangenheit bereits Konventionalstrafen bezahlen und zusätzliche Leistungen liefern, darunter Material im Wert eines niedrigen zweistelligen Millionenbetrags. In den nächsten acht Jahren soll Elbit die Fixkosten des Servicevertrags übernehmen. Schriftlich vereinbart ist das noch nicht. Abgeschrieben hat der Bund Ausgaben beim bundeseigenen Rüstungskonzern Ruag, dessen versprochene Leistungen nicht umgesetzt werden können. Dabei geht es laut Rüstungschef Loher um Kosten im tiefen zweistelligen Millionenbereich.

FLIEGEN BEREITS DROHNEN?

Ja. Fünf Drohnen wurden ausgeliefert, die sechste soll bis Ende Jahr folgen. Laut Rüstungschef Loher können derzeit aber nur zwei Drohnen uneingeschränkt eingesetzt werden. Die anderen können nur mit Begleithelikopter fliegen. Absehbar ist laut dem VBS, dass maximal vier der sechs Drohnen die für die Zulassung erforderlichen Nachweise nicht erbringen können und dauerhaft gewissen Auflagen unterliegen werden. Elbit habe in Aussicht gestellt, eine Drohne auszutauschen. Damit bestünde die Chance, über mindestens drei Drohnen zu verfügen, die ohne Auflagen betrieben werden können.

IST EIN ABBRUCH DES PROJEKTS VOM TISCH?

Nein. Das Projekt ist auch in reduzierter Form nicht in trockenen Tüchern. Es bestünden weiterhin technische Risiken in der Software und der Steuerung, schreibt das VBS. «Ein Abbruch bleibt die letzte Option, ganz ausgeschlossen ist er aber nicht», sagte Rüstungschef Loher. Ein Projektabbruch hätte laut Verteidigungsminister Pfister aber gewichtige Nachteile. So gäbe es Fähigkeitslücken bei der Aufklärung. Zudem bestünde das Risiko, dass ein Teil der Investitionen von der Herstellerfirma nicht zurückgefordert werden könnten. Pfister räumte aber ein, dass rein aus politischer Sicht ein Abbruch der Übung am einfachsten gewesen wäre.

WAS SIND DIE NÄCHSTEN SCHRITTE?

Die Verantwortung für die Beschaffung ist neu in der obersten Armeeführung angesiedelt, bei Korpskommandant Laurent Michaud, Chef Kommando Operationen. Er wird das Projekt eng begleiten und Verteidigungsminister Pfister persönlich regelmässig über den Projektfortschritt Bericht erstatten. Ab 2026 soll die Luftwaffe die Verantwortung für den Betrieb und den Unterhalt des Systems übernehmen. Geplant ist eine «Operationalisierung» ab dem Jahr 2027.

WIE FALLEN DIE REAKTIONEN AUS?

Die bürgerlichen Parteien SVP, FDP und Mitte begrüssen den nun getroffenen Entscheid. Sie waren und sind weiterhin gegen einen Projektabbruch. Die Allianz Sicherheit Schweiz will, dass die Schweiz mit Elbit darüber verhandelt, die Drohne für die Fähigkeit Feuer-Luft-Boden nachzurüsten. Für die GLP ist klar, dass der Verzicht auf bedeutende Funktionen der Drohnen mit einer Senkung der Beschaffungskosten kompensiert werden muss. Harsche Kritik kommt von linker Seite. SP und Grüne fordern den sofortigen Beschaffungsstopp der Drohnen. Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) hat ihren Willen bekräftigt, gerichtlich gegen den Kauf vorzugehen.

(AWP)