«Die Situation ist dringlich», sagte Aussenminister Ignazio Cassis am Freitag vor den Medien in Bern. In der Ukraine sei die vierfache Fläche der Schweiz vermint. Diese Minen müssten lokalisiert und geräumt werden.
Die Ukraine habe die Weltgemeinschaft für die Minenräumung um Hilfe in Höhe von 400 Millionen Dollar gebeten, führte Cassis aus. 200 Millionen Dollar hätten die USA bereits gesprochen, weitere 100 Millionen Franken kämen nun von der Schweiz. «Im Feld der humanitären Minenräumung sind wir grosszügig.»
Parlament hat letztes Wort
Die Minenräumung ist laut Cassis «die zentrale Voraussetzung für den Wiederaufbau in der Ukraine». Nur mit einer Entminung könne sich das soziale und wirtschaftliche Leben erholen.
Die finanziellen Mittel in Höhe von 100 Millionen Franken für die Jahre 2024 bis 2027 kommen je hälftig aus dem Budgettopf des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) und des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Das Parlament hat in Budgetfragen das letzte Wort.
Laut Verteidigungsministerin Viola Amherd fliesst das von der Schweiz gesprochene Geld in konkrete Räumungsprojekte, aber auch in die Ausbildung von Expertinnen und Experten. Der Bund werde die Kontakte mit seinen Partnern in diesem Bereich ausweiten.
«Kapazitäten müssen erhöht werden»
Die Schweiz beteiligt sich bereits heute an der humanitären Minenräumung in der Ukraine. In den Jahren 2022 und 2023 wurde laut dem Bundesrat ein Gesamtbetrag von 15,2 Millionen Franken bereitgestellt. Das VBS lieferte unter anderem ein Entminungsgerät. Amherd hielt fest, dass das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) die Ausfuhr des Gerätes bewilligt hat - mit der Auflage, dass es ausschliesslich für die humanitäre Minenräumung zivil eingesetzt werden darf.
Entsendungen von Schweizer Fachpersonal in die Ukraine sind laut Amherd derzeit kein Thema. «Es gibt derzeit keinen Bedarf dafür.» Stattdessen fliesst das Geld beispielsweise an Organisationen wie die Fondation suisse de déminage (FSD) oder das Genfer Internationale Zentrum für Humanitäre Minenräumung (GICHD).
GICHD-Direktor Stefano Toscano sagte, dass Expertinnen und Experten seit mehreren Jahren in der Ukraine tätig seien, die mit Minen und Blindgängern umgehen könnten. «Die Kapazitäten müssen erhöht werden.»
Minenräumung dauert Jahrzehnte
FSD-Direktor Hansjörg Eberle sprach von «komplexen Arbeiten». Seine Mitarbeitenden hätten in den vergangenen mehr als zwölf Hektaren Land geräumt und rund 100'000 Personen vor Ort sensibilisiert, um sicher mit der Bedrohung umgehen zu können.
Mit dem zusätzlichen Geld des Bundes könne FSD ihren Einfluss vor Ort «erheblich verstärken». Geplant sei eine Verdoppelung der Mitarbeitenden von 200 auf 400. Auch mit diesen Ressourcen könnten seine Teams jedoch noch lange nicht in der ganzen Ukraine tätig sein.
Laut Eberle weiss niemand, wie viel Land in der Ukraine genau vermint ist. Schätzungen gingen von rund einem Drittel der Fläche aus. «Die Minenräumung wird wohl Jahrzehnte dauern.»
Baldige Aussprache zum Wiederaufbau
Aussenminister Cassis wird nach eigenen Angaben am 11. Oktober in der kroatischen Hauptstadt Zagreb an einer internationalen Konferenz zur humanitären Minenräumung teilnehmen. Im nächsten Jahr sind weitere Konferenzen geplant, darunter eine in Genf. «Der Bundesrat führt den politischen Wiederaufbauprozess weiter», so Cassis.
Die Schweiz tue viel in diplomatischer und humanitärer Hinsicht, sagte Cassis auf die Frage, ob die Schweiz nicht noch mehr tun sollte für die Ukraine. «Nur militärische Hilfe ist aufgrund der Neutralität ausgeschlossen.»
Die Schweiz wolle beim eingeleiteten Wiederaufbauprozess in der Ukraine eine Vorreiterrolle übernehmen. Der Bundesrat wird laut Cassis bald eine Aussprache zum Thema führen. «Da wird man von anderen Beträgen sprechen», kündigte er an. Derzeit definiere eine interdepartementale Arbeitsgruppe Eckwerte.
(AWP)