Nach einer Serie von sieben Zinssenkungen in Folge drückt die Europäische Zentralbank (EZB) die Pausetaste. Der EZB-Rat in Frankfurt beschloss am Donnerstag, den Einlagesatz bei 2,0 Prozent zu belassen. Ökonomen sagten in ersten Reaktionen:

Thomas Gitzel, Chefökonom VP Bank

«Nach der turnusgemässen Sitzungspause im August steht der nächste EZB-Zinsentscheid im September an. Spannend ist dann, ob die europäischen Währungshüter erneut eine geldpolitische Lockerung lancieren werden. Es gibt sicherlich Gründe dafür, aber es gibt eben auch Gründe dagegen. Die Inflationsrate wird in den kommenden Monaten aufgrund von Energiepreisbasiseffekten merklich unter das EZB-Inflationsziel von 2 Prozent fallen. Dies eröffnet grundsätzlich weiteren Zinssenkungsspielraum. Der erstarkte Euro vergünstigt gleichzeitig Importe. Andererseits bleibt der Preisanstieg im Bereich von Dienstleistungspreisen auf einem verhältnismässig hohen Niveau. Zuletzt betrug hierbei der Preisanstieg im Jahresvergleich 3,3 Prozent. Das ist sichtlich zu viel. Für weitere Zinssenkungen müsste sich auch der Anstieg der Dienstleistungspreise abkühlen. Ob es zu einer weiteren Zinssenkung im September kommt, dürfte auch von der weiteren Entwicklung des Euro abhängen. Werden weitere Kursgewinne der europäischen Gemeinschaftswährung verzeichnet, wächst die Wahrscheinlichkeit für eine neuerliche Zinssenkung im September.»

Stefan Gerlach ist Chefökonom der EFG Bank:

«Der EZB-Rat wartet nun auf mehr Klarheit über die wirtschaftlichen Aussichten und die Auswirkungen der Handelsverhandlungen zwischen der EU und den USA. Die Inflation im Euroraum geht weiter zurück. Angesichts der nachlassenden Inflation rücken Wachstumsbedenken in den Vordergrund. Die Unsicherheit hinsichtlich der Handelspolitik belastet die Stimmung und könnte die Nachfrage im gesamten Euroraum dämpfen. Die fiskalischen Risiken nehmen zu. Frankreich gibt mit dem drittgrössten Haushaltsdefizit in Europa nach Rumänien und Polen besonders Anlass zu Sorge. Die Pläne zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben werden die ohnehin schon schwachen Haushalte vieler Länder belasten. Deutschland hat Handlungsspielraum, andere Länder jedoch nicht. Eine Einigung über die Fiskalpolitik wird angesichts der zunehmenden Unterstützung für rechtsextreme Parteien immer schwieriger. Die Märkte rechnen weiterhin mit mindestens einer weiteren Zinssenkung im Laufe dieses Jahres, darüber hinaus ist jedoch wenig absehbar. Die Aussichten hängen davon ab, wie sich Inflation und Wachstum in den kommenden Monaten entwickeln werden.»

Mark Walls, Chefökonom für Europa Deutsche Bank:

«Wie von Lagarde angekündigt, hat die EZB den Lockerungszyklus im Juli unterbrochen. Die Frage ist: Wird es eine kurze oder eine lange Pause sein? Und könnte dies eine Pause sein, die dazu führt, dass die letzte Leitzinssenkung Anfang Juni auf 2 Prozent schliesslich die letzte in diesem Lockerungszyklus wird? Die Unsicherheit bleibt hoch, und die EZB möchte sich zu Recht alle Optionen offen halten. Sollte die Handelsunsicherheit jedoch nachlassen, wird die Kombination aus robuster Wirtschaft und deutlicher fiskalischer Lockerung letztendlich zu Aufwärtsrisiken für die Inflation führen. Die Märkte werden ihren Fokus bald von der letzten Zinssenkung auf die erste Zinserhöhung verlagern.»

Jörg Krämer, Chefökonom Commerzbank:

«Der EZB-Einlagensatz liegt mit zwei Prozent bereits im unteren Bereich der Spanne, die in der langen Sicht mit dem EZB-Inflationsziel vereinbar ist. Von nun an sollte die EZB sehr zurückhaltend sein, ihre Zinsen weiter zu senken. Zwar mag die Inflation wegen der Euro-Aufwertung und der Umleitung chinesischer Exporte in den Euroraum kurzfristig noch etwas sinken. Aber längerfristig dominieren die Inflationsrisiken – wegen des schrumpfenden Anteils der Arbeitsbevölkerung, der De-Karbonisierung und der De-Globalisierung.»

Michael Heise, Chefökonom HQ Trust: 

«Solides Wachstum im ersten Halbjahr und eine Inflationsrate auf Zielniveau sprachen recht klar dafür, die Zinsen konstant zu halten und mit ruhiger Hand zu fahren. Eine Zinssenkung wäre nur durch einen deutlich negativen Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung mit sehr niedrigen Inflationsraten begründbar gewesen. Auch wenn die Handelspolitik und der Zollstreit weltwirtschaftliche Risiken mit sich bringen, wäre es zum jetzigen Zeitpunkt doch spekulativ, vorbeugend die Zinsen zu senken. Ein weiterer Zinssenkungsschritt der EZB könnte im September anstehen. Bei einer Einigung im Handelsstreit mit den USA, einem Verzicht auf Gegenzölle der EU und einer tendenziellen Euro-Aufwertung dürfte die Inflation im Euroraum weiter leicht zurückgehen. Der deutliche Rückgang bei den Spar- und Einlagenzinsen der Banken dürfte weitgehend vorüber sein. Das gilt auch für die kurzfristigen Kreditzinsen für Unternehmen, die sich in den vergangenen Monaten erfreulicherweise deutlich ermässigt haben.»

(Reuters/cash)