Der Bundesrat hiess an seiner Sitzung vom Freitag die erste nationale Strategie zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität gut. Justizminister Beat Jans informierte im Anschluss an einer Medienkonferenz in Bern über deren Inhalte.

Die neue nationale Strategie wurde vom Bundesamt für Polizei (Fedpol) gemeinsam mit Kantonen und Gemeinden erarbeitet. Die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) sagte schon Ende November Ja dazu.

Die Bedrohungslage sei unübersichtlicher geworden, auch bei der inneren Sicherheit, sagte Jans. Teil des Phänomens sei die organisierte Kriminalität.

«Nicht nur ein Rückzugsraum»

KKJPD-Präsidentin Karin Kayser-Frutschi sprach von einer eindeutigen Entwicklung seit einigen Jahren. Die organisierte Kriminalität werde professioneller, internationaler und gewalttätiger. «Wer glaubt, die Schweiz sei nur ein Rückzugsraum, der irrt», warnte die Nidwaldner Mitte-Regierungsrätin.

Europol habe 2023 die Zahl der in Europa aktiven kriminellen Organisationen auf mehr als 800 geschätzt, schrieb der Bundesrat. Diverse davon seien auch in der Schweiz aktiv.

Das Spektrum ist nach Angaben des Bundes sehr breit. Als Beispiele nennt er italienische Mafia-Familien, aber auch Gruppen aus dem Balkan, die Teile des Drogenhandels beherrschen, oder Banden aus der Türkei, die mit illegalem Geldspiel Profite erzielten. Eine zentrale Rolle spiele die Geldwäscherei, insbesondere für den Schweizer Finanzplatz. Auch im Menschenhandel seien kriminelle Gruppierungen aktiv, etwa solche aus Asien oder Westafrika.

Die Schweiz sei mit ihrer zentralen Lage in Europa und und ihrem Wohlstand attraktiv für kriminelle Organisationen, so der Bundesrat. Kriminelle nutzten modernste Technologien.

Hinschauen im Alltag

Die Strategie soll es zum einen ermöglichen, kriminelle Aktivitäten rascher zu erkennen. Dazu soll einerseits das Fedpol seine Schulungen von Behördenstellen auf allen Staatsebenen ausbauen.

Andererseits sollen die Rechtsgrundlagen so angepasst werden, dass zivile Behörden und Organisationen verdächtige Beobachtungen leichter an Polizei und Staatsanwaltschaft weitergeben können, ohne das Amtsgeheimnis zu verletzen. Dies betrifft zum Beispiel Betreibungs- und Konkursämter.

Ebenso wichtig sei eine aufmerksame Bevölkerung, sagte Kayser-Frutschi. Organisierte Kriminalität beginne selten spektakulär, sondern mit scheinbar harmlosen Angeboten oder damit, dass Menschen im Alltag wegschauten.

Zugriff auf Datenbanken

Zudem soll die Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene gestärkt werden. Heute müsse eine Polizistin bei 25 Kantonen einzeln nachfragen, wenn sie herausfinden wolle, ob eine Person in einem anderen Kanton aufgefallen sei, führte Fedpol-Direktorin Eva Wildi-Cortés dazu. Dieser Mechanismus sei zu langsam, um Muster oder Netzwerke zu erkennen.

Abhilfe schaffen soll gemäss der Fedpol-Direktorin eine rechtliche Grundlage für die gegenseitige Abfrage polizeilicher Informationssysteme. Die Vorlage dazu werde voraussichtlich im Januar in die Vernehmlassung gehen.

Anpassungen bei Siegelung

Die Massnahmen, die für die keine Gesetze angepasst werden müssen, wollen Bund und Kantone ab dem kommenden Jahr umsetzen. Für Ende 2027 kündigte der Bundesrat zudem eine Vernehmlassungsvorlage zu einem Gesetzespaket an.

Heute besteht gemäss Jans die Gefahr, dass durch die Siegelung von Smartphones oder Computern Beweismittel verloren gehen. Auch in diesem Bereich wolle der Bundesrat gesetzgeberisch tätig werden.

Man wolle aber die Privatsphäre der Menschen und ihre Grundrechte achten, schränkte Justizminister Jans auf Nachfrage ein. Es gehe um technische Anpassungen, um etwa die Löschung von Handys zu verhindern. Einzelheiten dazu nannte er nicht.

Geldwäscherei-Strafnorm auf Prüfstand

Mit dem Gesetzespaket sollen ausserdem der Nachweis von Geldwäscherei und das Einziehen verdächtiger Vermögenswerte einfacher werden. Heute muss in der Schweiz eine kriminelle Vortat nachgewiesen werden, um jemanden wegen Geldwäscherei zu belangen. Es muss beispielsweise bewiesen werden, dass eine Geldsumme aus Drogenhandel stammt.

In den Niederlanden oder im Vereinigten Königreich gelte heute eine Strafnorm, die unabhängig davon funktioniere, erläuterte Wildi-Cortés. Dies werde man auch für die Schweiz prüfen.

Für die Umsetzung der Strategie erhält der Bund mehr Ressourcen. Das Parlament hat den Bundesrat bereits beauftragt, bei der Bundeskriminalpolizei bis 2035 100 bis 200 zusätzliche Stellen zu schaffen, also zehn bis 20 pro Jahr. Für 2026 bewilligte das Parlament zu diesem Zweck zusätzlich 1,8 Millionen Franken.

Das entspricht nach Aussage des Bundesrats zehn Stellen. «Wir wollen in den Jahren 2027 bis 2030 je zwanzig zusätzliche Ermittlerinnen und Ermittler anstellen», erläuterte Jans das weitere Vorgehen.

mk/

(AWP)