Mit 30 zu 13 Stimmen und mit 2 Enthaltungen lehnte der Ständerat am Montag ein Eintreten auf die Vorlage ab, von der zuvor schon der Nationalrat nichts hatte wissen wollen. Die meisten Ja-Stimmen kam von SP- und Grünen-Vertretern. Damit ist der von den Räten verlangte und 2021 vom Bundesrat präsentierte Gesetzesentwurf vom Tisch.

Gemäss Vorlage hätten nur nicht gewinnorientierte Verbände Sammelklagen einreichen können sollen. Im Verbandsklageverfahren hätte auch die einvernehmliche Einigung zwischen den Parteien mit einem kollektiven Vergleich möglich werden sollen.

Wind hat gedreht

Hätte ein Gericht diesen Vergleich genehmigt und für verbindlich erklärt, hätte der Vergleich laut Landesregierung alle betroffenen Personen gebunden, die sich der Verbandsklage angeschlossen haben. Heute sind Verbandsklagen auf Persönlichkeitsverletzungen beschränkt.

Hatte das Parlament selbst diese Vorlage vor über zehn Jahren bestellt, hat nun der Wind gedreht. Namens der ablehnenden Mehrheit sagte Kommissionssprecher Beat Rieder (Mitte/VS), Sammelklagen würden zu Unrecht als Instrument bezeichnet, das Konsumentinnen und Konsumenten den Zugang zur Justiz erleichtern soll.

Massen-Schädigungen

Profitieren würden vor allem auf diese Verfahren spezialisierte Kanzleien. Deren Ziel seien teure Vergleiche und entsprechende Einnahmen. Rieder warnte vor Klagefluten und einem Schuss ins eigene Knie. Das Schweizer Recht funktioniere, auch für einzelne Klagende.

Befürworter Carlo Sommaruga (SP/GE) argumentierte mit der Massenproduktion und dem Massenkonsum. Entsprechend gebe es auch Massen-Schädigungen und gigantischen Schadensummen. In solchen Situationen brauche es Expertenwissen.

Skandale stünden am Anfang von Klagen, fuhr Sommaruga fort, und die Zahl von Skandalen wachse. Eine Sammelklage sei gegenüber einer Reihe von Klagen zu bevorzugen. Vielen seien einzelne Verfahren zu teuer und zu zeitintensiv, doppelte Fabien Fivaz (Grüne/NE) nach.

Einstimmig erteilter Auftrag

Der Bundesrat habe seine Vorschläge aufgrund einer einstimmig überwiesenen Motion ausgearbeitet, sagte Justizminister Beat Jans. Gerade der VW-Diesel-Skandal habe gezeigt, dass Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz im Nachteil seien. Die Nachbarländer und Skandinavien hätten Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes.

Es wäre wichtig, die konkrete Ausgestaltung zu diskutieren, statt das neue Instrument pauschal zu verwerfen, plädierte Jans vergeblich für das Eintreten. Enttäuscht vom abschlägigen Entscheid der Räte zeigte sich die Stiftung für Konsumentenschutz. Sie sprach in einer Mitteilung von Arbeitsverweigerung.

Der parlamentarische Prozess sei immer wieder verzögert worden, kritisierte sie. Dass das Parlament die Vorlage nicht einmal habe diskutieren wollen, sei besonders stossend. «Missbräuchliche Praktiken von Konzernen bleiben ohne kollektive Rechtsmittel unbestraft. Die Kosten tragen die Geschädigten.»

Weil in der Schweiz keine Gruppenklagen möglich seien, hätten sich 400 Schweizer Hotels einem Verfahren in den Niederlanden gegen die Buchungsplattform Booking.com angeschlossen, schrieb die Stiftung. Der Fall zeige, dass Betroffenen derzeit nur der mühsame Weg ins Ausland bleibe, dessen Erfolg jedoch ungewiss sei.

(AWP)