Über 800'000 Schweizerinnen und Schweizer wohnten Ende 2022 im Ausland, und etwas mehr als jeder und jede vierte von ihnen will in der Schweiz abstimmen und wählen. Das sind in etwa so viele Stimmberechtigte viele wie im Kanton Graubünden, wie die Auslandschweizer-Organisation (ASO), Swisscommunity, schreibt.
Grünen-Nationalrat Nicolas Walder (GE) hat das bisher politisch nicht mehrheitsfähige Thema mit einer im Juni eingereichten Interpellation neu aufgegriffen. Er will wissen, wie eine bessere Vertretung der fünften Schweiz im Parlament aussehen könnte. Der Bundesrat hat noch nicht Stellung dazu genommen.
Bundesrat muss Stellung nehmen
Je nachdem, wie die Antwort ausfällt, wollen die Grünen "allenfalls einen Vorstoss mit der konkreten Forderung" einreichen, wie Generalsekretärin Rahel Estermann ausführt. Die Option sollte unbedingt geprüft werden. Ein eigener Wahlkreis für Schweizerinnen und Schweizer im Ausland würde auch das E-Voting massiv vereinfachen.
Auch SP und GLP zeigen sich in einer Umfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA offen für die Idee eines 27. Kantons für die fünfte Schweiz. Deren Stimmen hätten nicht das Gewicht und den politischen Stellenwert, der ihnen eigentlich zukommen würde, schreibt SP-Sprecherin Lena Allenspach. Ihre Stimmen seien auf die verschiedenen Herkunftskantone aufgesplittert.
Partizipation stärken
Auf einer kantonalen Liste verliere die Kandidatur jegliche auslandschweizerische Eigenheit. "Und sie geht inmitten lokal verankerter Persönlichkeiten hoffnungslos unter." Wahlkörperschaft könnten die Auslandschweizer und -schweizerinnen selbst sein oder ein von ihnen gewähltes Gremium.
Auch den Grünliberalen ist die politische Mitsprache der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland wichtig. Eine eigene Vertretung für sie im Parlament stärke diese Partizipation, im Sinn einer offenen und vernetzten Schweiz, schreiben sie.
2009 scheiterte eine Initiative von Ständerat Carlo Sommaruga (SP/GE) für eine Auslandschweizer Vertretung in den Räten am Ständerat. Dessen zuständige Kommission hatte argumentiert, dass Auslandschweizer und -schweizerinnen genügend Instrumente für die politische Beteiligung hätten. Sie hoffte damals auf das nach wie vor erst versuchsweise und für wenige angebotene E-Voting.
FDP und Mitte dagegen
FDP und Mitte-Partei lehnen in der Umfrage die Schaffung eines 27. Kantons ab. "Die Anliegen der Auslandschweizer sollen in den Kantonen eingebracht werden", schreibt FDP-Sprecherin Floriane Wyss. Die Freisinnig-Liberalen wollten beim gegenwärtigen System bleiben und lehnten auch eine Spezialvertretung für Schweizer Städte ab.
Kritisch äusserte sich auch die Mitte. Die Partei befürworte grundsätzlich eine Einbindung der Auslandschweizerinnen und -schweizer im bestehenden institutionellen Rahmen mit seinen drei Staatsebenen, schrieb Sprecherin Rosmarie Brunner. Die SVP äusserte sich nicht zu der Frage.
Wie Auslandschweizer in der Bundesversammlung künftig direkt vertreten sein könnten, überlegt sich auch eine Arbeitsgruppe des Auslandschweizerrates, wie ASO-Direktorin Ariane Rustichelli auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagte. Resultate wird die Gruppe aber erst nach den Wahlen vorlegen.
Fast keine Gemeinsamkeiten
Einen 27. Kanton für die fünfte Schweiz zu schaffen, ist laut Rustichelli aber "ein schwer erreichbares Ziel", nur schon wegen der nötigen Verfassungsänderung. Hinzu komme, dass es unter Auslandschweizern fast keine Gemeinsamkeiten gebe, abgesehen davon, dass sie Schweizer oder Schweizerinnen seien, die im Ausland lebten.
Heute sind Auslandschweizerinnen und -schweizer in der Bundespolitik indirekt vertreten, über den 140-köpfigen Auslandschweizerrat, dem auch mehrere Schweizer Parlamentsmitglieder angehören. Das Gremium bringt Anliegen der fünften Schweiz den zuständigen Behörden vor.
In den eidgenössischen Räten vertritt zudem die mehr als 80-köpfige Parlamentarische Gruppe Auslandschweizer Anliegen der fünften Schweiz. Ihr gehören Mitglieder aller Fraktionen an.