Dabei geht es vor allem darum, die Hürden für die Einwanderung von Arbeitskräften aus Staaten ausserhalb der Europäischen Union zu senken - etwa durch ein neues Punktesystem als Türöffner nach Deutschland. Zugleich soll ein Aus- und Weiterbildungsgesetz das vorhandene Arbeitskräfteangebot stärken. Neu sind eine Ausbildungsgarantie und ein Qualifizierungsgeld bei Weiterbildung. Als Drittes kommt eine Verordnung hinzu, die nicht vom Bundestag beschlossen, sondern vom Arbeitsministerium erlassen wird. Darin ist erstmals ein Zuwanderungs-Kontingent für unqualifizierte Arbeitskräfte vorgesehen. Etwa 130.000 zusätzliche Fach- und Arbeitskräfte jedes Jahr erhofft sich die Bundesregierung von allen Neuregelungen zusammengenommen.

Es folgt ein Überblick über wesentliche Inhalte:

Fachkräftemangel: Obwohl die Bundesagentur für Arbeit (BA) im Mai über 2,5 Millionen Arbeitslose zählte, herrscht vielerorts ein Mangel an Fach- und Arbeitskräften. Die Zahl der Berufe, in denen Engpässe herrschen, ist 2022 laut BA von 148 auf 200 gestiegen. Die Hälfte aller bei der BA gemeldeten Fachkraftstellen entfiel auf einen dieser Engpassberufe. "Das unterstreicht den Mangel", befand die BA in einer Analyse Anfang Juni. In jedem 6. Beruf herrschten somit Engpässe - ganz besonders bei Pflegeberufen, Berufskraftfahrern oder Bauberufen. Von den arbeitslosen Fachkräften, Experten oder Spezialisten suchten nur 26 Prozent eine Beschäftigung in einem Engpassberuf.

Auf lange Sicht schrumpft zudem das Arbeitskräfteangebot. Denn die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre gehen nach und nach in Rente. Bis 2035 könnten bis zu sieben Millionen Personen weniger dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, hat das IAB-Forschungsinstitut der BA ausgerechnet.

Fachkräfte-Zuwanderung: Ausländische Arbeitskräfte sollen leichter nach Deutschland kommen können, um die Lücken zu füllen. Dabei geht es nicht nur um Fachkräfte, sondern auch um Arbeitskräfte ohne anerkannte Berufsabschlüsse. Innerhalb der EU gibt es für Arbeitskräfte bereits keine echten Grenzen mehr. Zwischen dem Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes am 1. März 2020 bis Ende 2022 wurden rund 124'000 Einreisevisa für qualifizierte Fachkräfte erteilt laut Arbeitsministerium. Davon entfielen auf die Blaue Karte für Akademiker 2021 13'758 und im ersten Halbjahr 2022 12'352 Visa.

Diese Wege sollen nach Deutschland führen:

Chancenkarte: Erstmals führt Deutschland für die Einwanderung von Arbeitskräften ein Punktesystem ein. Es richtet sich an Menschen, die noch keinen Arbeitsvertrag in Deutschland haben, aber über gutes Potenzial verfügen, eine Beschäftigung zu finden. Für zwölf Kriterien - wie Qualifikation, Alter und Sprachkenntnisse - werden Punkte vergeben. Wer mindestens sechs Punkte hat, erwirbt eine Chancenkarte, die für ein Jahr zur Jobsuche in Deutschland berechtigt, sofern der Lebensunterhalt gesichert ist. Sie kann um bis zu zwei Jahre verlängert werden, wenn es einen Arbeitsvertrag für eine qualifizierte Beschäftigung gibt und die BA zugestimmt hat. Erhältlich sein soll die Chancenkarte etwa in der ersten Jahreshälfte 2024.

Qualifikation: Auch für Fachkräfte werden die Hürden gesenkt. Voraussetzungen für ihre Zuwanderung sind bisher bereits ein in Deutschland anerkannter Berufs- oder ein Hochschulabschluss und ein Arbeitsvertrag. Neu ist, dass diese Fachkräfte künftig jede qualifizierte Beschäftigung ausüben dürfen. Sie bleiben nicht auf ihren angestammten Beruf beschränkt. Für die seit vielen Jahren bestehende Blaue Karte EU als Arbeitserlaubnis für Hochschulabsolventen aus Drittstaaten werden die Mindestgehälter gesenkt - für 2023 wären das 43'800 Euro brutto jährlich. Zugang dazu sollen auch IT-Kräfte mit Berufserfahrung auf akademischem Niveau bekommen.

Berufserfahrung: Sie soll stärker als bisher zur Einreise berechtigen. Voraussetzung sind mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und ein im Herkunftsland staatlich anerkannter Berufsabschluss. In Deutschland muss der Abschluss noch nicht anerkannt sein. Das bedeutet eine deutliche Vereinfachung. Es wird ein Mindestgehalt festgelegt. Wer diese Gehaltsschwelle nicht erreicht, muss seinen Berufsabschluss in Deutschland anerkennen lassen. Neu ist, dass die Person bereits in Deutschland arbeiten darf, während das Anerkennungsverfahren noch läuft - wenn sich der Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitskraft für eine notwendige Qualifikation freizustellen.

Westbalkan-Regelung: In der ergänzenden Verordnung wird die bis Ende 2023 befristete Westbalkan-Regelung entfristet. Auf deren Grundlage können Arbeitgeber in Deutschland bisher jährlich 25'000 Arbeitskräfte aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, der Republik Nordmazedonien, Montenegro und Serbien anwerben. Das Kontingent wird auf 50'000 erhöht. Die Regelung gilt als Erfolgsmodell, das viele qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland gebracht hat. Die Bundesregierung soll diese Regelung auch für andere Drittstaaten als Option ermöglichen, mit denen über Migrationsabkommen verhandelt wird.

Kontingent und Pflege: Erstmals ist ein Zuwanderungs-Kontingent für unqualifizierte Arbeitskräfte auch aus anderen Ländern als dem West-Balkan vorgesehen, die einen Arbeitsplatz in Deutschland nachweisen. Im Gespräch ist eine Zahl von 30'000 - festgelegt werden muss dies von der BA je nach Bedarf. Sie dürfen innerhalb eines Jahres für acht Monate jede sozialabgabenpflichtige Tätigkeit ausüben, wenn der Arbeitgeber tarifgebunden ist und vollständig die Reisekosten trägt. Zudem soll ein Zugang zum Arbeitsmarkt für ausländische Pflegehilfskräfte unterhalb des Fachkräfteniveaus geschaffen werden. Etwa 1200 zusätzliche Pflegende erhofft man sich so.

Spurwechsel: Ermöglicht wird auch ein Spurwechsel aus dem Asylverfahren in den Arbeitsmarkt. Dies soll nur für Asyl-Suchende gelten, die zum Stichtag 29. März 2023 im Land waren - wenn sie Fachkräfte sind und einen festen Arbeitsplatz haben.

Weiterbildungsgesetz:

Es enthält Förderinstrumente für Ausbildungssuchende und Beschäftigte. Künftig haben junge Leute einen Anspruch auf eine ausserbetriebliche Ausbildung, wenn sich keine anderen Ausbildungsmöglichkeiten finden. Ein Qualifizierungsgeld soll bei Strukturwandel und Transformation unterstützen: Die BA übernimmt bei Weiterqualifizierung die Lohnzahlung in Höhe von bis zu 67 Prozent des Netto-Gehalts.

Gestrichen wurde vorerst die von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geplante Bildungszeit. Dafür sollten sich Beschäftigte ein Jahr freistellen lassen können und Unterstützung von der BA in Höhe des Arbeitslosengeldes erhalten. Das Vorhaben wurde auf ein zweites Weiterbildungsgesetz verschoben.

(Reuters)