Das in den vergangenen Jahren stürmische Wachstum der Neuzulassungen hat sich in Deutschland verlangsamt. Branchenkenner rechnen auch für die kommenden Jahre mit einer Schleichfahrt. "Dass der grosse Siegeszug des Elektroautos derzeit stockt, liegt an den Preisen", sagt Fabian Piontek, Partner und Autoexperte der Unternehmensberatung Alixpartners. Unter 30'000 Euro sei in Europa fast kein neues kompaktes Elektroauto zu haben. "Das ist für die grosse Masse der Privatkunden zu teuer." Diese wollen laut einer Erhebung der Marktforschung Dataforce im Schnitt nicht mehr als 25'000 Euro für einen Neuwagen ausgeben.

Auch Mercedes-Chef Ola Källenius sieht den Umschwung vom klimaschädlichen Benzin- oder Dieselauto zum emissionsfreien Stromer nicht geradlinig nach oben verlaufen. Die Pionierkunden hätten sich mittlerweile eingedeckt, sagte er vergangenen Monat. "Jetzt müssen wir die Mehrheit gewinnen." Als Hemmnis sieht der Manager weniger den Preis als vielmehr die noch immer ungenügende Ladeinfrastruktur. In Brüssel und Berlin rate er den Politikern deshalb, da mehr Geld reinzustecken.

Länger am Tropf des Steuerzahlers

Wesentlicher Kostentreiber des Elektroautos ist die Batterie, die rund ein Drittel der Gesamtkosten ausmacht. Experten sagen, dass bei der Marke von 100 Dollar pro Kilowattstunde die Kosten für ein E-Auto in etwa so hoch sind wie für einen Verbrenner. Dies sei aber in die Ferne gerückt, erklärt Piontek. In den vergangenen beiden Jahren habe sich die Kilowattstunde Stromkapazität wegen höherer Rohstoffkosten auf 160 von 140 Dollar verteuert.

Als Bremsklotz beim Verkauf wirkt nach Einschätzung von Experten daher auch das Kürzen der staatlichen Förderung für die Anschaffung von Elektroautos seit Jahresbeginn. Ab September wird es zudem keinen Zuschuss mehr für Flottenkunden geben, die das Wachstum bisher trieben. "Der Wegfall des Umweltbonus für gewerbliche Zulassungen im September wird den Hochlauf stark verzögern", sagt Dataforce-Autoexperte Benjamin Kibies. Im Januar soll die Prämie für Privatkäufer weiter gekürzt werden und Ende 2024 ganz auslaufen. Das sei zu früh, ergänzt Kibies. Der Staat solle den Markt stützen, bis sich die Preisschere zwischen Elektroauto und Verbrenner schliesst.

Flaute nur vorübergehend

Mitte des Jahrzehnts, wenn die 100-Dollar-Marke bei den Batterien dank technischem Fortschritt und einer global wachsenden Stückzahl in Sicht komme, wird sich das Blatt wenden, erwartet Berater Piontek. Der Trend zum Elektroauto sei unumkehrbar, auch wegen der mehr als 570 Milliarden Euro, die die globale Autoindustrie investiere. Knapp 100 Milliarden Euro davon fielen in Europa an.

Die Volumenhersteller hätten günstige Modelle zu Preisen von 20'000 bis 25'000 Euro für 2025/26 angekündigt. Bis 2035, wenn in der Europäischen Union faktisch ein Verbot neuer Verbrennerautos in Kraft tritt, sieht Alixpartners den Anteil batteriebetriebener Elektroautos in Europa bei 82 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es elf Prozent.

Eine nur vorübergehende Schwächephase erwartet auch Matthias Pfriem, Elektromobilitätsexperte beim Dienstleister PTV. Einen Gleichstand bei den Kosten Mitte des Jahrzehnts sieht er auch, weil sinkende Preise für E-Autos einhergehen dürften mit einer Verteuerung der Verbrenner, etwa wegen höherer CO2-Abgaben auf Sprit. Die Absatzziele der Hersteller für E-Autos bis 2030 - bei BMW mindestens 50 Prozent, bei Volkswagen in Europa 70 Prozent und bei Mercedes-Benz möglichst 100 Prozent des Gesamtabsatzes - seien nicht gefährdet. "Ich bin überzeugt, dass die Hersteller ihre Absatzquotenziele erfüllen werden, weil sie das weitgehend in der eigenen Hand haben." So wie sie vor einigen Jahren SUVs mit grossen Werbebudgets unters Volks brachten, werde ihnen das auch mit Elektroautos gelingen.

Deutschland verpasst E-Autorziel

Das Center of Automotive Management (CAM) kalkuliert mit eher konservativen Szenarien. Es prognostiziert der Bundesregierung, das Ziel von 15 Millionen E-Autos bis 2030 um mehr als die Hälfte zu verfehlen, wenn nicht Politik, Autoindustrie und Ladeinfrastruktur-Anbieter gemeinsam kräftig gegensteuern und den Hochlauf wieder beschleunigen.

Der Umstieg auf die lokal emissionsfreien Elektroautos ist immerhin der wichtigste Hebel zum Abbau des Treibhausgases CO2 im Strassenverkehr, und der Umweltverband Transport & Environment (T&E) mahnt daher einen Paradigmenwechsel an. Notwendig wäre die Abschaffung fossiler Subventionen wie die steuerliche Begünstigung von Diesel an der Tankstelle und bei Dienstwagen. E-Autoquoten für gewerbliche Flotten und ein schnellerer Ausbau der Ladeinfrastruktur könnten einen Schub bringen. "Ein Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik heisst aber eben auch, Infrastruktur so zu gestalten, dass das Verkehrsaufkommen zurückgeht", fordert T&E.

(Reuters)