«Dieser Entscheid stärkt unsere digitale Souveränität, den Wirtschaftsstandort und den barrierefreien Zugang für alle Bürgerinnen und Bürger», kommentierte Bundesrat Beat Jans das Abstimmungsergebnis an einer Medienkonferenz in Bern. Er sei sehr erleichtert über den Ausgang der Abstimmung.

Der elektronische Ausweis solle den Service Public in der Schweiz stärken, so Jans. Die Digitalisierung schreite rasch voran, und um der Entwicklung nicht einfach ausgeliefert zu sein, müsse man aktiv werden.

«Unter demokratischer Kontrolle»

«Zentral ist: Das E-ID-Gesetz steht unter demokratischer Kontrolle», sagte Jans. Ohnehin sei die Vernehmlassung zur Verordnung zum E-ID Gesetz noch bis Mitte Oktober im Gange. Danach werde der Bundesrat entscheiden, ob er aufgrund des knappen Resultats Anpassungen vornehme.

Die Erleichterung des Justizministers hatte ihren Grund. Die Befürworterinnen und Befürworter des E-ID-Gesetzes mussten bis zuletzt zittern. Nur in 7,5 Ständen hiess eine Mehrheit der Stimmenden die Vorlage gut - in Zürich, Basel-Stadt, Waadt, Genf, Luzern, Zug, Freiburg und im Tessin. Die restlichen 15,5 Stände waren dagegen. Lange lag das Nein-Lager vorne. Den Ausschlag gaben schliesslich die Ja-Mehrheiten in den grossen Städten.

In absoluten Zahlen hatte da Ja-Lager einen Vorsprung von etwas mehr als 21'000 Stimmen. 1'384'549 Personen legten ein Ja in die Urne, 1'363'283 ein Nein.

«Tief gespaltene Schweiz»

Namentlich in ländlichen Gebieten und bei weniger einkommensstarken Gruppen überwog laut dem Politologen Lukas Golder die Skepsis, wie er am Nachmittag im Gespräch mit Fernsehen SRF sagte. Auch die Frauen dürften mehrheitlich Nein gesagt haben zur Einführung des elektronischen Ausweises. Der Forscher des Instituts gfs.bern sprach von «einer tief gespaltenen Schweiz - in allen Details».

Das neue Gesetz sieht vor, dass der Bund die E-ID herausgibt und die dafür notwendige technische Infrastruktur betreibt. Die ID wird dezentral auf dem Handy der jeweiligen Nutzerin oder des Nutzers gespeichert. Kantonale und kommunale Behörden können die Infrastruktur der E-ID ebenfalls nutzen - etwa, um Führerausweise, Diplome oder Kundenkarten auszustellen.

Projekte in der Pipeline

Ein Nein zur E-ID hätte auch ganz konkrete Pläne von Bundesrat und Parlament infrage gestellt. So schlug die Landesregierung bereits im Mai vor, für ein neues Register zur Organspende die E-ID zur verwenden.

Angedacht ist auch, die E-ID in Zukunft für elektronische Unterschriftensammlungen für Initiativen und Referenden zu verwenden.

Achtungserfolg der Gegnerschaft

Der Abstimmungskrimi um das E-ID-Gesetz ist ein Achtungserfolg für die Gegnerinnen und Gegner der Vorlage. Umfragen im Vorfeld hatten eine relativ komfortable Mehrheit für die Einführung der E-ID gezeigt.

Bekämpft wurde die Vorlage zum einen vom Komitee «E-ID-Gesetz-Nein». Getragen wurde dieses von der von früheren Mitgliedern der Piratenpartei gegründeten Gruppe «Digitale Integrität Schweiz», der Jungen SVP, der EDU sowie der Organisation «Freunde der Verfassung».

Unterschriften gegen das E-ID-Gesetz sammelten auch weitere Organisationen, darunter Mass-voll sowie die Piratenpartei. Diese führten allerdings eigene Nein-Kampagnen.

Hinter der Vorlage stand eine breite Allianz aus Parlamentarierinnen und Parlamentariern aus allen Fraktionen im Bundesparlament. Bereits im Juni warben Parlamentarierinnen und Parlamentarier von SVP, FDP, Mitte, GLP, SP und Grünen an einer gemeinsamen Medienkonferenz dafür. Die SVP beschloss allerdings in der Folge die Nein-Parole.

Beide Lager pochen auf Freiwilligkeit

Der knappe Ausgang des Urnengangs spiegelte sich auch in den Reaktionen der Parteien wieder - bei Gegnern wie Befürwortern. Die Sozialdemokraten und die Grünen begrüssten den Volksentscheid, forderten jedoch vom Bundesrat eine griffige Regulierung von Internet-Plattformen an.

Die GLP sieht das Ja zur E-ID als «Digitalisierungsschub» für die Schweiz. Auch die Grünliberalen betonten aber, die Bevölkerung müsse weiterhin frei wählen können, ob sie ein Angebot digital oder physisch nutzen möchten.

Die elektronische Identitätskarte garantiere Datensicherheit und öffne wichtige Türen für den Innovations- und Forschungsstandort, schrieb die FDP.

Die SVP forderte eine Garantie dafür, dass die E-ID freiwillig bleibe. Es dürfe nicht zu «staatlicher Überwachung durch die Hintertür kommen». Es könne nicht sein, dass man sich plötzlich in Alltagssituationen ausweisen und dabei eine Telefonnummer oder Passdaten angeben müsse, mahnte auch Monica Amgwerd an, die Kampagnenleiterin des Komitees «E-ID-Gesetz Nein».

Beschwerden hängig

Ein erster Anlauf zur Einführung der E-ID scheiterte 2021 an der Urne - namentlich deshalb, weil private Unternehmen die E-ID herausgeben sollten. Die am Sonntag angenommene Vorlage sieht dagegen eine rein staatliche Lösung vor.

Ganz definitiv ist das Ja zur E-ID auch nach dem Volksentscheid vom Sonntag noch nicht. Vergangene Woche reichten sowohl Mass-voll-Präsident Nicolas Rimoldi als auch das Nein-Komitee Stimmrechtsbeschwerden ein. Hintergrund war ein Bericht der «NZZ am Sonntag» über eine Spende der Swisscom an die Ja-Kampagne in Höhe von 30'000 Franken.

Jans wollte sich an der Medienkonferenz nicht zu den Beschwerden äussern - mit Rücksicht auf die Gewaltenteilung. Die Bundeskanzlei liess verlauten, in erster Linie seien die Kantone zuständig, zudem sei ein Weiterzug der Beschwerden ans Bundesgericht möglich.

(AWP)